Wie sich mittlerweile herausstellte, haben zwei Staatssekretäre aus dem Wirtschaftsministerium einen Prüfbericht für die Laufzeitverlängerung der letzten drei Atomkraftwerke formuliert, bevor die betroffenen Ministerien mit den Betreibern der AKWs Gespräche geführt haben. Die entsprechenden Passagen wurden zudem erstellt, ohne den zuständigen Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, einzubinden. Der von Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Lemke in Auftrag gegebene Prüfvermerk vom 8. März berücksichtigte auch nicht eine den Ministerien bereits vorliegende Stellungnahme des AKW-Betreibers EnBW. Dieser hatte den Ministerien bereits am 2. März mitgeteilt, dass sich die Atomanlagen „auch im internationalen Vergleich auf höchstem sicherheitstechnischem Niveau“ befänden und „der Weiterbetrieb auf diesem hohen sicherheitstechnischen Niveau erfolgen“ könne (Welt: 31.10.22).
Prüfbericht berücksichtigt Expertenmeinungen nicht
Außerdem fehlt im betroffenen Prüfvermerk auch die vorliegende Einschätzung zweier Mitglieder der Reaktorsicherheitskommission, die sich ebenfalls für einen Weiterbetrieb aussprachen. Dennoch behauptet das Bundeswirtschaftsministerium, dass es bei der Prüfung von Laufzeitverlängerungen „keine ideologischen Denkverbote“ gegeben habe. Daran bestehen allerdings schon deswegen erhebliche Zweifel, da es in diesem Prüfvermerk weder eine Betrachtung der möglichen hohen CO₂-Einsparungen, noch eine Berücksichtigung der Auswirkungen auf den Strompreis bei einer Laufzeitverlängerung gibt.
CDU empört über ideologisch geprägten Prüfbericht
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), hält nach der Aufdeckung zum Entstehen des Prüfberichts das Vorgehen der betroffenen Ministerien für geradezu empörend. Wirtschaftsminister Habeck habe sich „über die Ratschläge der Experten hinweggesetzt“. „Die Ideologie scheint stärker als jedes Sachargument“, so Frei.
Die CDU hofft auf die Abstimmung zur Änderung des Atomgesetzes im Bundestag. Dabei wird entschieden, ob die drei verbliebenen AKWs Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 noch bis April 2023 laufen dürfen, ohne neue Brennstäbe zu kaufen. Die Abgeordneten hätten dann laut Frei die Möglichkeit, ein Stoppschild gegen diese ideologiegetriebene Politik der Ampel aufzustellen. „Dass der Wirtschaftsminister das Ergebnis seiner Studie quasi selbst vorgegeben hat, ist nicht wirklich überraschend. Angesichts des Ernstes der Energiekrise ist es aber geradezu empörend“, sagt Frei.
Koalitionspartner wollen sich nicht äußern
Die Koalitionspartner SPD und FDP hüllen sich derweil zu Habecks und Lemkes Prüfvorgängen in Schweigen. Zu entsprechenden Presseanfragen wollte sich keiner der Koalitionspartner äußern
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