Die deutsche Stromversorgung wird immer kritischer. Der Vorstandsvorsitzende des Energieversorgers Eon, Leonhard Birnbaum, warnt vor kontrolliertem Netzabwurf ganzer Städte. Dabei hält er es für möglich, dass die Netzbetreiber bei Engpässen im Netz ganzen Städten kontrolliert vom Netz trennen müssen, um einen Systemzusammenbruch zu verhindern.
Ausbau der erneuerbaren Energien bringt Stromnetz an Grenze der Belastbarkeit
Als Ursache sieht Birnbaum den nahezu unkontrollierten Ausbau der alternativen Stromquellen wie Windrädern und Solaranlagen. Durch die stark volatile Stromproduktion dieser Anlagen wird es mittlerweile immer schwieriger, die damit verbundenen Schwankungen im Netz auszugleichen. Mit der Abschaltung der Atom- und Kohlekraftwerke fehlt dazu aber immer mehr verlässlich abrufbare Leistung. Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen. Dabei kann es durchaus zum Netzabwurf ganzer Städte oder Industriebetriebe kommen
Die Netzreserven sind aufgebraucht
In den letzten Jahren hat der Ausbau der erneuerbaren Energien nahezu alle verfügbaren Netzreserven aufgebraucht. Laut Birnbaum ist das deutsche Stromnetz jetzt an seiner Leitungsgrenze angekommen und es gibt absolut keine Reserven mehr.
Die Situation wird aber auch noch durch den höheren Stromverbrauch verschärft, der durch die Ausweitung der Elektromobilität und der Elektrifizierung der Heizsysteme entsteht. Aber auch in der Industrie steigt der Strombedarf, insbesondere durch Batteriefabriken und durch immer mehr große Rechenzentren.
Zusätzliche Gaskraftwerke zur Stabilisierung des Stromnetzes können Netzabwurf verhindern
Um entsprechend gegen wirken zu können, müssten zusätzlich Gaskraftwerke gebaut werden, die bei Stromengpässen schnell angefahren werden können. Nachdem die EU-Kommission sowohl Erdgas- als auch Atomkraft als nachhaltig im Sinne des Klimaschutzes eingestuft hat, seien die Bedingungen dazu jetzt gegeben. Allerdings wird der Betrieb zusätzlicher Gaskraftwerke ohne russisches Erdgas nicht möglich sein.
Gaskraftwerke nur mit russischem Erdgas wirtschaftlich
Ein Betrieb mit Flüssiggas ist zwar durchaus möglich, aber am Markt ist zu einem nicht genug LNG verfügbar und zum anderen würde dabei der Strompreis weiter kräftig steigen,
Birnbaum appelliert an Politik, technologieoffen zu bleiben
Birnbaum appelliert die Politik bei der Energieversorgung technologieoffen zu bleiben. Dabei verweist er darauf, dass in den letzten Wochen zeitweise nur 27 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien ins Netz eingespeist wurde. 72 Prozent mussten in diesen Fällen konventionell Kraftwerke erzeugten. Dazu meint er an: „Selbst wenn in unserem Land dreimal mehr Windkraft installiert wäre, wüsste ich nicht, wie wir in einer solchen Woche ohne Kohle, Kernenergie und Erdgas auskommen sollen. Wenn Kohle- und Atomenergie komplett vom Netz gehen, entsteht eine gigantische Lücke, die gefüllt werden muss. Und zwar aus einer Quelle, die zuverlässig liefert. Wir brauchen nicht nur im Durchschnitt eines Jahres genug Strom, sondern an jedem einzelnen Tag. Das ist die große Herausforderung, die von vielen unterschätzt wird.“