Der Elektrolastwagenentwickler Nikola galt als große Hoffnung, doch offenbar hat sein Gründer und Chef Trevor Milton Investoren, Anleger und die Öffentlichkeit getäuscht. Ein Geschworenengericht in New York verurteilte ihn nun wegen Anlage- und Überweisungsbetrug zu einer Gefängnisstrafe. Auch seine Bezahlung einer Luxusranch mit wertlosen Aktienoptionen schlug die Jury den ermittelten Straftaten zu (US-Bundesbezirksgericht im südlichen New York, Az.: 21-cr-478) (heise online, 19.10.2022).
Die Geschichte von Nikola und Milton
Im Jahr 2015 gründete der Unternehmer Trevor Milton das Unternehmen Nikola, mit dem Ziel, umweltfreundliche Fahrzeuge (darunter Lkws) und dazu die nötige Infrastruktur herzustellen. Seine Fahrzeugkonzepte waren vielfältig, wahlweise sollten die Energiequellen Wasserstoff, Strom aus Akkus oder Erdgas sein. Für Wasserstoffantriebe wollte Nikola ab dem Jahr 2018 entlang nordamerikanischer Autobahnen 364 Wasserstofftankstellen bauen. Die Wasserstoffproduktion sollte sogar direkt vor Ort erfolgen, was zu einem sensationell günstigen Preis möglich gewesen sein sollte. Auch die Akkus der Nikola-Fahrzeuge und ihre übrigen Komponenten sollten aus Eigenentwicklungen stammen. Jedoch trug der gelernte Verkäufer Milton, der ein Studium nach nur einem Semester abgebrochen hatte, diese Ideen zwar sehr überzeugend vor, konnte aber nur selten handfeste Ergebnisse vorweisen.
Einen scheinbaren Coup landete er im Dezember 2016: Er präsentierte einen angeblich vollständig funktionsfähigen Prototypen eines Sattelschleppers mit Wasserstoffbrennstoffzelle, den er Nikola One nannte. Dieser war aber eine Attrappe, was ihm nun auch die Anklage vorwirft. Es ist nicht illegal, wenngleich etwas verpönt, Prototypen nur als Designstudie ohne Motor vorzustellen, doch andere Hersteller weisen darauf ausdrücklich hin. Milton jedoch ließ seinen Nikola One mit der Fremdeinspeisung von Strom und sogar Druckluft (für die defekte Luftfederung) so aussehen, als wäre er wirklich echt. Sogar ein Infotainmentsystem im Cockpit gab es, doch dessen Bildschirme zeigten gefälschte Darstellungen. Mit dieser Nummer kam Milton durch, und zwar so überzeugend, dass er mit dem angeblich funktionstüchtigen Nikola One sogar später noch Werbevideos drehte. Diese Spots liefen ab 2018, die Täuschung flog nicht auf. Daher traute sich Milton schließlich 2020 an die Börse.
Milliardär per Börsengang, aber ohne Gehalt
Anfang März 2020 hat Nikola den Börsengang angekündigt, Milton ließ sich als CEO und Verwaltungsratsvorsitzender mit einem Dollar Jahresgehalt plus Aktienoptionen bei Erreichen bestimmter Kursziele einsetzen. Anschließend gab er zahlreiche Interviews, wurde sehr aktiv in sozialen Medien und kündigte unter anderem den Pickup-Truck Badger an, den es in zwei Varianten mit Akku und Wasserstoffzelle geben sollte. Auch hier erfand er eine aufgebauschte Story. So sollte Nikola das Fahrzeug jahrelang selbst entwickelt haben und daran Patente halten. Auch eine Partnerfirma für die Produktion sei schon gefunden. In Wahrheit gab es lediglich einige Zeichnungen, die Produktionspartnerschaft war völlig frei erfunden. Nachdem Anfang Juni 2020 der Börsenhandel der Nikola-Aktien begonnen hatte, intensivierte Milton seine PR und teilte mit, dass vom Badger ein fertiger Prototyp existiere und man nun Bestellungen annehme. Daraufhin explodierte der Aktienkurs von Nikola, Milton wurde Aktienmilliardär.
Ausbau des Wolkenschlosses
Mit Milton ging alsbald die Fantasie vollkommen durch: Er behauptete öffentlich, dass der Badger in der Lage sei, das bei der Wasserstoffverbrennung entstehende Wasser neu als Trinkwasser und für die Scheibenwaschanlage zu verwenden. Schließlich ließ er wirklich einen Prototyp bauen, der allerdings zu keinem Zeitpunkt verkehrstüchtig war, wobei er wie gewohnt eine Lügenshow inszenierte: Nikola kaufte mehrere Ford F150, deren Teile zu einem Badger-Prototyp zusammengebastelt wurden. Dies geschah unter strengster Geheimhaltung. Sogar Tankzugänge für Wasserstoff und ein Trinkbrunnen wurden imitiert.
Es gab nun wirklich erste Bestellungen, woraufhin Milton fälschlicherweise behauptete, die Topversion des Badger sei bereits ausverkauft. Nun sprang in der Tat mit General Motors ein Partner auf den Zug auf. GM erwog in der Tat, einen Pickup-Truck der Marke Nikola auf den Markt zu bringen, wollte aber von Nikola bestenfalls designerische Details übernehmen und ansonsten eigene Technik verbauen. Daran scheiterte schließlich die Partnerschaft, weil Milton auf seiner Story der Eigenentwicklung beharrte und sich GM daraufhin zurückzog. Übrig blieb lediglich eine Absichtserklärung: Wenn Nikola eigene Lkws bauen sollte, sagte GM (unverbindlich) zu, eventuell hierfür das eigene Brennstoffzellensystems Hydrotec zu liefern.
Fortbestand von Nikola
Milton, der noch wesentlich mehr Münchhausen-Geschichten aufgetischt hatte und daraufhin vom Unternehmen im Dezember 2020 geschasst wurde, dürfte verurteilt werden, doch Nikola lebt. Im September 2021 begann Iveco in Ulm mit der Produktion von elektrischen Nikola-Lkws, von denen bislang 93 Stück verkauft wurden. Milton kassierte derweil schon eine SEC-Strafe von 125 Millionen Dollar.
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