Die Ökonomin Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt vor, den „Klimanotstand“ offiziell auszurufen. Dies würde der Bundesregierung ermöglichen, die Schuldenbremse zu umgehen und mehr finanzielle Mittel zu verwenden. Dieser Vorschlag kommt als Reaktion auf das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das viele klimapolitische Projekte vorerst gestoppt hat, da 60 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre fehlen (taz: 16.11.23).
Klimanotstand als Ausweg? Claudia Kemfert drängt auf radikale Maßnahmen
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat bereits Maßnahmen ergriffen, um den Kreditspielraum des „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) einzuschränken und Ausgaben zu begrenzen, ohne neue Steuern oder Schulden aufzunehmen. Claudia Kemfert ist jedoch der Meinung, dass dies nicht ausreicht.
Sie verweist auf die Coronakrise als Beispiel für eine außergewöhnliche Notsituation, die eine vorübergehende Aufhebung der Schuldenbremse gerechtfertigt hätte. Das Grundgesetz sieht tatsächlich Ausnahmeregelungen für Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen vor, die die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen. Mit dem Ausrufen des Klimanotstandes könne die Schuldenbremse nach geltendem Recht ausgesetzt werden.
Kemfert schlägt auch vor, klimaschädliche Subventionen, wie Fördergelder für Dienstwagen, Diesel oder Flugreisen, zu streichen, um mehr Geld für KTF-Maßnahmen zu gewinnen. Dies könnte bis zu 60 Milliarden Euro einbringen, wobei jedoch aus rechtlichen Gründen nur die Hälfte kurzfristig gestrichen werden könnte.
Streit um Schuldenbremse und Klimaschutz
DIW-Präsident Prof. unterstützt ebenfalls die Idee einer Schuldenbremse-Modifikation. Er argumentiert, dass die Schuldenbremse nicht mehr zeitgemäß ist und der Politik notwendigen Spielraum für Krisenbekämpfung und Zukunftsinvestitionen nimmt. Er betont die Notwendigkeit einer Investitionsoffensive (capital: 15.11.23).
Es gibt auch andere Organisationen und politische Vertreter, darunter der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Paritätische Gesamtverband, die eine Aussetzung der Schuldenbremse befürworten. Grüne, SPD und Linke sind ebenfalls dafür, während FDP, CDU/CSU und AfD dagegen sind.
Claudia Kemfert betont die Bedeutung des „Klimaschutzes“ als wirksame Maßnahme zur Haushaltskonsolidierung. Bereits 2021 hatte sie in der Zeitschrift „Wirtschaftsdienst“ diese Ansicht vertreten. Kemfert ist Ökonomin und Mitglied der Deutschen Gesellschaft des Club of Rome (CoR), einer internationalen Denkfabrik, die sich seit langem für eine globale Transformation einsetzt.
Bundesverfassungsgericht erklärt Haushaltsgesetz für nichtig – Massive Einschnitte in Klimafonds-Planung
Das Bundesverfassungsgericht hat das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Dieses Gesetz erlaubte die Umwandlung von 60 Milliarden Euro, die ursprünglich für Corona-Kosten vorgesehen waren, in den „Energie- und Klimafonds“ (EKF), jetzt bekannt als Klima- und Transformationsfonds (KTF). Das Gericht stellte fest, dass dies im Geiste der Schuldenbremse gemäß Artikel 109 GG illegal war.
Die Bundesregierung muss nun den KTF-Wirtschaftsplan neu aufstellen. Ursprünglich waren 211,8 Milliarden Euro für die Jahre 2024 bis 2027 aus dem KTF geplant. Aufgrund der Gerichtsentscheidung müssen jedoch 60 Milliarden Euro abgezogen werden, was zu erheblichen Einschränkungen führen wird.
Trotz dieser Herausforderungen plant die Bundesregierung immer noch Ausgaben in Höhe von 57,6 Milliarden Euro im Jahr 2024. Bundeskanzler Scholz hat angekündigt, den gesamten Wirtschaftsplan des Klima- und Transformationsfonds zu überarbeiten.
Das Bundesfinanzministerium beabsichtigt, den Haushalt für das Jahr 2024 spätestens am 1. Dezember im Bundestag zu verabschieden, trotz des negativen Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Es wird erwartet, dass der Bundesrat die Kalkulation zwei Wochen später final genehmigen wird.
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