Deutschland als Habecks Geisel

Mit seinem absurden Theater um die Atomkraft nimmt Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) derzeit Deutschland in Geiselhaft. Das ist jedenfalls die Meinung vieler Beobachter aus Politik und Presse (Cicero, 06.09.2022).


Warnung aus der Energiewirtschaft

Die deutschen Stromnetzbetreiber sind alarmiert: Sie warnen inzwischen ernsthaft vor Engpässen bei der Stromversorgung im kommenden Winter. Sie empfehlen der Bundesregierung daher dringend, noch nicht aus der Atomkraft auszusteigen. Doch Robert Habeck zaudert. Dahinter steckt die Angst vor der grünen Parteibasis. Mit dieser gemeinsam nimmt er nun die Bürger und Unternehmen des Landes als Geisel. Dabei galt er noch vor wenigen Wochen als Star der Ampelkoalition.

In Umfragen überflügelte er sogar den Kanzler, was als Novum gilt, von Journalisten wurde er angehimmelt. Nun scheitert er an seiner Feigheit. Bislang feierte ihn das Land dafür, dass er so schön kumpelhaft erklären konnte, was aktuell nötig sei und er auch als Wirtschaftsminister umsetzen werde. Doch am 5. September entzauberte er sich selbst in der Bundespressekonferenz, als er das Stresstestergebnis für die deutsche Energiewirtschaft vorstellte und den für ihn einzig plausiblen Ausweg aus der Energiekrise präsentierte: Zwei der noch laufenden Atommeiler sollen in Reserve gehen. An der prinzipiellen Abschaltung zum Jahresende wird nicht gerüttelt. Dabei verweisen die Betreiber der Atomkraftwerke selbst darauf, dass so ein Reservebetrieb bei dieser Technologie gar nicht möglich ist.


Was treibt Robert Habeck um?

Habeck ist Grüner durch und durch. Seine Partei wiederum hat die Gegnerschaft zur Atomkraft in den Genen. Das hat zur fatalen Folge, dass der Minister vor einem bevorstehenden Mangelwinter, für den schon jetzt das Abschalten von nächtlicher Werbebeleuchtung und das Herunterdrehen von Heizungen angeordnet wurde, trotzdem drei absolut zuverlässige, voll funktionstüchtige Atomkraftwerke den Betrieb einstellen müssen, wie es der 2011 beschlossene Atomausstieg vorsieht. Dabei empfehlen die vier großen deutschen Stromnetzbetreiber dem Minister den Weiterbetrieb. Sie hatten den Stresstest für die Energieversorgung durchgeführt und waren zum Ergebnis gelangt, dass die deutschen Kraftwerkskapazitäten ohne Atomkraft im Winter nicht genügen, um die sichere Stromversorgung inklusive Netzstabilität zu gewährleisten.

Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck nimmt derzeit Deutschland in Geiselhaft. Was treibt den Wirtschaftsminister um?
Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck nimmt derzeit Deutschland in Geiselhaft. Was treibt den Wirtschaftsminister um?
Bild: Michael Brandtner, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Deutschland kann dann Strom in Nachbarländern einkaufen, doch wird das gelingen? Derzeit versorgen wir Frankreich mit Strom. Wenn das europäische Netz also insgesamt schwächelt, bleibt als einziges Szenario die kontrollierte und temporäre Abschaltung von Großverbrauchern. Ähnliche Szenarien spielen derzeit unsere Nachbarländer durch. Die Schweiz nennt das beispielsweise „rollierenden Blackout“ (wir berichteten). Die Netzbetreiber in Deutschland kommunizieren daher eindeutig: Die Verfügbarkeit der deutschen Kernkraftwerke ist ein essenzieller Baustein, um kritische Situationen in der Energieversorgung beherrschen zu können. Sie sollten daher weiterlaufen.


Habecks verpasste Chance

Das Ergebnis des Stresstests ist so eindeutig, dass Habeck es hätte nutzen können, um der eigenen Partei die Dogmatik auszutreiben. Die Anti-Atom-Ideologie ist inzwischen ein grüner Götze, der nicht einmal zur urgrünen Dogmatik des Klimaschutzes passt.

Es ist schon paradox, wenn ein grüner Minister Kohlekraftwerke wieder anwerfen lässt, aber am Atomausstieg partout festhalten will. Wer das verstehen will, muss sich die Geschichte der deutschen Anti-Atomkraft-Bewegung vergegenwärtigen, die in den 1970er Jahren ihren Aufschwung nahm und aus der sich die Gründer der Grünen rekrutierten. Doch auch eine ideologisch sehr gefestigte Partei kann flexible Politiker hervorbringen. Das bewies Joschka Fischer (Bündnis 90/Grüne), als er als Außenminister 1999 den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo mittrug und hierfür seiner Partei zumute, sich vom Pazifismus zu verabschieden. Fischer blieb auch standhaft. Er war aus einem anderen Holz geschnitzt als Habeck, der nun offenbar vor der Realpolitik einknickt. Doch ein Land in der Krise hat nichts dringender nötig als nüchterne Realpolitiker.

Hat Robert Habeck einen Plan?

Das fragt sich in der Tat, denn sein Vorschlag, zwei Atomkraftwerke in „technische Reserve“ zu schicken, ist so hanebüchen, dass er eigentlich nur als Verschleierungstaktik dienen kann. Dies wollen wir uns zunächst gründlich vor Augen halten, bevor wir Robert Habecks Motive weiter hinterfragen: Ein Kohle-, Gas- oder Ölkraftwerk kann abgefahren und dann (technologieabhängig) in rund acht bis zehn Stunden wieder angefahren werden. Das ist teuer, aber technisch machbar. Bei einem Kernkraftwerk funktioniert das wegen der Atomtechnologie so nicht. Das wusste Habeck garantiert auch. Technisch möglich wäre ein Streckbetrieb mit einem allmählichen Ausbrennen der Kernelemente und der Option, diese im laufenden Betrieb doch durch neue Brennstäbe zu ersetzen und damit das KKW wieder auf Volllast hochzufahren.


Der von Habeck kommunizierte „Reservebetrieb“ von zwei Atomkraftwerken ist also nichts als ein fauler Kommunikationskompromiss ohne sachliche Substanz. Er dient lediglich als Beruhigungspille gegenüber denjenigen, die Habeck ideologische Verbohrtheit vorwerfen. Ihnen ruft er zu: Seht doch, ich habe ja gar nichts gegen Kernkraft! Ich lasse sogar zwei Atomkraftwerke als Reserve zu! Der eigenen grünen Basis raunt er hingegen zu: Seht her, ich habe nicht nachgegeben. Das lässt nun Robert Habecks Plan erkennen: Er ist verzweifelt, will aber nicht wahlweise entweder zurücktreten oder seine Partei krass brüskieren wie Joschka Fischer.

Für das Land ist dieses Zaudern höchst fatal.

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