Chinas Traum vom globalen Spitzenplatz im E-Auto-Markt ist geplatzt. Massive Überproduktion, ruinöser Preiskrieg und mit Neuwagen vollstehende Autofriedhöfe prägen die Lage. Händler verschleudern in China ihre Fahrzeuge, während Hersteller unbeirrt an Zielvorgaben festhalten. Die Elektroautoindustrie des Landes steckt damit in einem Strudel, der die Zukunft des gesamten Marktes gefährdet (ntv: 20.09.25).
Händler im Preiskrieg
In Städten wie Chengdu zeigt sich das Ausmaß besonders deutlich. Dort stehen Neuwagen mit extremen Rabatten zum Verkauf. Ein Audi kostet plötzlich nur die Hälfte, ein SUV von FAW wird sogar mit über 60 Prozent Nachlass angeboten. Unternehmen wie Zcar kaufen große Mengen ungewollter Fahrzeuge und geben sie im Preiskrieg billig weiter. „Es gibt kein Auto, das nicht verkauft werden kann, es gibt nur einen Preis, der nicht passt“, erklärt Wang Lihong in einem Livestream. Der E-Auto-Markt verwandelt sich in eine Arena, in der Angebot und Nachfrage längst entkoppelt sind.

Auch Chen Keyun, ein Händler im Ruhestand, sieht die Ursache in der einseitigen Fixierung auf Produktionszahlen. Die Elektroautoindustrie liefert weit mehr Fahrzeuge, als Händler absetzen können. So gelangt ein Großteil auf den Graumarkt, wo Autos mit Verlust verkauft werden. Die Elektroautoindustrie orientiert sich an Vorgaben aus Peking, während die reale Nachfrage kaum Beachtung findet.
Überproduktion durch politische Weichenstellungen
Den Grundstein legte Peking bereits in den 1990er-Jahren. Elektroautos galten früh als Chance, den globalen Markt zu erobern. 2009 startete ein milliardenschweres Förderprogramm, 2017 folgte ein Masterplan mit klaren Zielen. Darin stand, die jährliche Produktion bis 2025 auf 35 Millionen Fahrzeuge hochzutreiben. 2024 liefen nach Branchenangaben 31 Millionen Autos vom Band – von Konzernen wie SAIC, BYD, Geely oder Newcomern wie Xpeng. Doch die Kapazitäten übersteigen diesen Wert deutlich, was die Überproduktion weiter anheizt.
Viele Provinzen verschoben zudem Kapital aus dem überhitzten Immobiliensektor in Autoprojekte. Kommunen boten günstiges Land und Subventionen, um Fabriken anzulocken. Die Profitabilität blieb dabei zweitrangig. Lokale Verwaltungen hielten selbst schwache Hersteller künstlich am Leben, um Arbeitsplätze zu sichern. Die China-Strategie setzte damit stärker auf Quantität statt auf Nachhaltigkeit.
Lokale Erfolgsgeschichten mit Schattenseiten
Die Gemeinde Changfeng in Anhui lockte 2021 den Hersteller BYD mit besonders billigem Baugrund. Im Gegenzug erhielt die Region eine moderne Produktionsstätte. Das Wachstum übertraf landesweite Raten deutlich, die staatliche Zeitung „Renmin Ribao“ pries BYD als Wirtschaftsmotor.
Doch ähnliche Programme entstanden im ganzen Land. So plante Guangzhou die Förderung von bis zu drei Autobauern mit jeweils 500.000 Fahrzeugen pro Jahr. Wer innerhalb von drei Jahren eine Fabrik für 100.000 Autos aufbaute, erhielt jährliche Subventionen von knapp 60 Millionen Euro. Das Ergebnis: ein aufgeblähter E-Auto-Markt, der von Überproduktion und Preiskrieg geprägt ist.
Ein Markt im Teufelskreis
Seit Jahren wird die China-Branche von Preisnachlässen und Verlustgeschäften beherrscht. Präsident Xi Jinping warnte 2024 die Provinzregierungen, dass ein ungebremster Wettlauf um Technologien nicht tragfähig sei. Analysten fordern, schwächere Autobauer ausscheiden zu lassen. Doch Politiker fürchten Jobverluste und Konsumrückgänge, sodass die Elektroautoindustrie im Teufelskreis verharrt.
Sany-Manager Liang Linhe beschreibt den Zustand so: „Es ist wie beim Fahrradfahren: Solange man strampelt, ist man zwar außer Atem, aber fällt nicht um.“ Xpeng-Gründer He Xiaopeng prognostizierte, dass nur acht Hersteller überleben könnten, sofern sie mindestens drei Millionen Autos jährlich bauen. BYD setzt aktuell 4,6 Millionen als Ziel, Geely plante fünf Millionen für 2027. Ob das realistisch bleibt, ist offen.
Händler am Limit
Analysten erwarten, dass von 129 Marken nur 15 bis 2030 existieren. Händler kämpfen schon jetzt mit unverkauften Fahrzeugen. Viele Autos landen auf Parkplätzen oder in Versteigerungen. Allein auf Alibaba wurden 2024 über 5100 BYD-Wagen angeboten, nach nur 61 im Vorjahr. Nicht für alle Modelle gibt es Gebote. Häufig stehen Gerichte hinter den Auktionen, wenn Händler bankrottgehen.
Die Handelsvereinigung Henan warnte in einem offenen Brief: „Wenn die Handelskanäle zusammenbrechen, stirbt der Markt.“ Solange Politik und Hersteller starr an ihren Produktionsvorgaben festhalten, bleibt der E-Auto-Markt im Würgegriff der Überproduktion und droht den gesamten Sektor in China zu destabilisieren.
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