Großbritanniens Industrie verlangt umfassende Reformen. Unternehmensverbände fordern, dass die neue Industriepolitik nicht nur große Energieverbraucher entlastet, sondern sämtliche produzierenden Betriebe. Neben der Ausweitung bestehender Förderprogramme fordern sie die Abschaffung von Abgaben wie der „Verpflichtung zu erneuerbaren Energien“ (Renewables Obligation) und der „Abgabe zur Bekämpfung des Klimawandels“ (Climate Change Levy). Zudem verlangen sie einen EU-ähnlichen Ausgleich bei Netzgebühren, um faire Bedingungen für die britische Industrie im internationalen Wettbewerb zu schaffen. Ohne diese Maßnahmen, so die Warnung, verliere der Standort an Attraktivität und wirtschaftlicher Substanz (ft: 02.06.25).
Mittelständische Betriebe geraten ins Abseits
Aktuelle Entlastungen wie das „British Industry Supercharger“-Programm helfen bisher nur rund 370 Großverbrauchern. Zwar plant die Regierung laut Insidern eine Anhebung der Netzkostenerstattung auf bis zu 90 Prozent – ähnlich wie in Deutschland oder Frankreich. Doch diese Erleichterung reicht vielen Unternehmen nicht.

Auch Branchen wie Automobilbau, Chemie und Luftfahrt kämpfen mit immensen Energiekosten. Rain Newton-Smith vom Arbeitgeberverband CBI macht deutlich: „Wenn die Industriepolitik keine Lösung für die hohen Energiekosten der britischen Industrie liefert, ist sie gescheitert.“
Britische Industrie im internationalen Nachteil
Hersteller weisen darauf hin, dass industrielle Energiekosten in Großbritannien viermal so hoch liegen wie in den USA. Im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt betragen die Mehrkosten rund 46 Prozent. Make UK, die Interessenvertretung der Industrie, verlangt daher eine breitere und strukturelle Entlastung. Die Abschaffung staatlicher Aufschläge auf Stromrechnungen zählt dabei zu den zentralen Forderungen.
Stephen Phipson, Geschäftsführer von Make UK, warnt: „If we don’t address the issue of high industrial energy costs as a priority, we risk the security of our country.“ Ohne einen grundlegenden Kurswechsel sei die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Industrie langfristig nicht zu sichern.
Nissan-Werk als Warnsignal
Ein besonders drastisches Beispiel liefert Nissan. Alan Johnson erklärt: „The Nissan Sunderland manufacturing plant has the highest energy costs of all Nissan plants across the globe.“ Trotz moderner Technik und hoher Produktivität bleibt der Standort durch die Energiepreise massiv benachteiligt. Für viele andere Unternehmen stellt sich die gleiche Problematik – und gefährdet damit Investitionen.
Industriepolitik unter Zugzwang
Premierminister Keir Starmer will acht zentrale Wachstumsbranchen fördern – darunter auch die britische Industrie. Doch ohne eine tragfähige Energiepolitik drohen diese Pläne zu scheitern. Quellen aus dem Umfeld von Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds bestätigen, dass Energiefragen bei fast allen Gesprächen mit der Industrie im Mittelpunkt stehen. Noch im Juni soll das neue Strategiepapier erscheinen – parallel zur Haushaltsplanung des Schatzamts.
Unternehmen fordern nun schnelle und substanzielle Schritte. Ohne sie droht die britische Industrie den Anschluss an internationale Wettbewerber endgültig zu verlieren.
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