Die deutsche Wirtschaft kämpft weiterhin mit Wachstumsproblemen, insbesondere in der Industrie und Bauwirtschaft. Der Sachverständigenrat der Wirtschaftsweisen hat daher die Konjunkturprognose für dieses Jahr deutlich gesenkt. Während im vergangenen Herbst noch ein Wachstum von 0,7 Prozent prognostiziert wurde, rechnen die Experten nun nur noch mit einem Plus von 0,2 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (welt: 16.05.24). Zudem empfehlen sie die Einführung einer Pkw-Maut zur Finanzierung der maroden Infrastruktur.
Wirtschaftsweisen: Schwache Nachfrage bremst Wachstum
Die schwache gesamtwirtschaftliche Nachfrage beeinflusst die Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Die Vorsitzende des Sachverständigenrats, Monika Schnitzer, betonte, dass private Haushalte aktuell noch zurückhaltend konsumieren.
Auch die Industrie und die Baubranche verzeichnen nur geringfügige neue Aufträge. Ratsmitglied Martin Werding erwartet jedoch, dass die deutsche Wirtschaft im Verlauf des Jahres 2024 an Fahrt gewinnt. Höhere Realeinkommen könnten den privaten Konsum ankurbeln und somit die Konjunktur stützen.
Experten: Exportchancen trotz Hürden – Pkw-Maut soll Infrastruktur retten
Der Welthandel und die globale Industrieproduktion sollen frische Impulse für die deutsche Wirtschaft liefern. Die Sachverständige Veronika Grimm prognostiziert, dass deutsche Exporte im laufenden und kommenden Jahr vom steigenden Welthandel profitieren. Gleichzeitig stehen exportorientierte Unternehmen vor Herausforderungen durch scharfen Wettbewerb, steigende Arbeitskosten und hohe Energiepreise.
Zusätzlich empfehlen die Wirtschaftsweisen die Einführung einer Pkw-Maut in Deutschland. Eine stärkere Nutzerfinanzierung, etwa durch eine fahrleistungsabhängige Maut, soll höhere Infrastrukturausgaben decken. Da schwere Fahrzeuge die Infrastruktur stärker belasten, erscheint eine Differenzierung nach Gewicht sinnvoll. Der schlechte Zustand der Verkehrsinfrastruktur führt zu Staus und beeinträchtigt den Güterverkehr sowie die Wirtschaftsaktivität. Eine umfangreiche Ertüchtigung der Infrastruktur ist daher notwendig.
Teuerung und Arbeitsmarkt
Das neue Gutachten reiht sich in eine Reihe von pessimistischen Prognosen für Deutschland ein. Selbst die Bundesregierung rechnet nur mit einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent. Auch die EU-Kommission sieht ein langsameres Wachstum als erwartet und prognostiziert nur noch ein minimales Wachstum von 0,1 Prozent für 2024. Schwache Auslandsnachfrage, schleppender privater Konsum und geringe Investitionen sind die Hauptgründe. Die Inflationsrate wird laut Sachverständigenrat in diesem Jahr 2,4 Prozent betragen und 2025 auf 2,1 Prozent sinken.
Herausforderungen am Arbeitsmarkt
Der deutsche Arbeitsmarkt bleibt problematisch. Strukturelle Bedingungen haben sich verschlechtert, da der demografische Wandel fortschreitet und durchschnittliche Arbeitszeiten zurückgehen. Unternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen. Gleichzeitig verzichten viele trotz schlechter wirtschaftlicher Lage darauf, Beschäftigte zu entlassen. Der Sachverständigenrat, der seit 1963 regelmäßig die gesamtwirtschaftliche Entwicklung bewertet, sieht hier dringenden Handlungsbedarf.
Die Bundesregierung erwartet im nächsten Jahr ein Wachstum von 0,9 Prozent. Dennoch bleibt der Arbeitsmarkt eine der größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft. Der Rat, bestehend aus Monika Schnitzer, Martin Werding, Veronika Grimm, Achim Truger und Ulrike Malmendier, betont die Notwendigkeit von Reformen und Investitionen, um die strukturellen Probleme zu bewältigen und langfristiges Wachstum zu sichern.
Lesen Sie auch:
- Sachverständigenrat für Verlängerung von Energiepreisbremse
- Teurer Prozess um gescheiterte PKW-Maut
- Umweltbundesamt will Autofahren drastisch verteuern
- Erhöhung der LKW-Maut führt zur nächsten Preissteigerungswelle