Windkraft in Deutschland – eine ernüchternde Bilanz

Die Auslastung der Windparks wird von deren Betreibern wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Die Neue Züricher Zeitung (NZZ) hat die Erträge deutscher Windkraftanlagen mit Hilfe einer Simulation selbst berechnet und in einer interaktiven Karte dargestellt (NZZ: 07.11.22). Das Ergebnis: Große Versprechungen, aber kleine Erträge – die Bilanz ist ernüchternd.


Simulation zeigt: Die meisten Windkraftanlagen können ohne staatliche Förderung nicht wirtschaftlich betrieben werden

In Deutschland stehen circa 28 000 größere Windkraftanlagen. Doch ob diese auch wirtschaftlich betrieben werden können, ist ein gut gehütetes Geheimnis der Betreiber. Mit entsprechenden Simulationsmodellen lässt sich jedoch die Auslastung der meisten Turbinentypen relativ genau berechnen. Die NZZ hat solche Simulationen für 18 000 Windkraftanlagen an verschiedenen deutschen Standorten durchgeführt. Zur Ermittlung der Bilanz wurden dabei die entsprechenden Wetterdaten der letzten 10 Jahre verwendet.

Windkraft in Deutschland:  Große Versprechungen, aber kleine Erträge - ernüchternde Bilanz. Wirtschaftlicher Betrieb im Süden kaum möglich
Windkraft in Deutschland: Große Versprechungen, aber kleine Erträge – ernüchternde Bilanz. Wirtschaftlicher Betrieb im Süden kaum möglich

Das Ergebnis ist ernüchternd, denn bei gut einem Viertel aller Anlagen liegt die Auslastung unter 20 Prozent. Damit lässt sich eine Anlage nur über den Strompreis nicht wirtschaftlich betreiben. Die meisten Windkrafträder lohnen sich für ihre Betreiber nur durch die staatliche Förderung. Nur 15 Prozent aller Anlagen haben eine Auslastung von mehr als 30 Prozent. Allerdings stehen 83 Prozent davon in küstennahen Gebieten im windreichen Norden und nur zwei einzelne Windräder in Süddeutschland.


Simulation berücksichtigt nicht gesetzlich verordnete Abschaltzeiten

Die Simulation berücksichtigt allerdings nicht die örtlichen Vorschriften zur Abschaltung beziehungsweise Drosselung wegen Lärm und Vogelschutz, sodass die errechneten Anteile in der Realität noch geringer sein dürften.

Bei der Auswertung nach Bundesländern zeigt sich die unterschiedliche Auslastung am deutlichsten. Dabei schneidet Schleswig-Holstein mit einer Auslastung von 31 Prozent am besten ab. In Baden-Württemberg beträgt die Auslastung nur noch 17 Prozent. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 24 Prozent.

Nur wenig Ertrag im Süden

Trotz der gewaltigen Unterschiede an den unterschiedlichen Standorten sollen alle Bundesländer 2 Prozent ihrer Fläche für Windkraftanlagen zur Verfügung stellen. Allerdings finden sich dafür immer weniger Investoren. Insbesondere im Süden, wo die Auslastung am geringsten ist, will kaum einer sein Geld in Windkraftanlagen stecken. So wollte die baden-württembergische Landesregierung innerhalb der laufenden Legislaturperiode 1000 Windräder in Baden-Württemberg bauen lassen. In diesem Jahr wurden jedoch gerade einmal 5 neue Anlagen aufgestellt.

Viele Windparks im Süden erreichen die erwarteten Erträge nicht. Im Windpark Nordschwarzwald stehen 14 Windkraftanlagen der Firma Vesta auf knapp 900 Meter Höhe. Der Windpark wurde mit einer Auslastungsvorhersage von 30 Prozent projektiert. Die Auslastung lag jedoch in den Jahren 2007 bis 2010 gerade bei 17 Prozent. Die NZZ Simulation kommt im Zehnjahresmittel sogar nur auf 16 Prozent. Wie aus der Bilanz in den jeweiligen Geschäftsberichten der Betreibergesellschaft hervorgeht, macht sie seit Jahren Verluste in zweistelliger Millionenhöhe.

Auch eine relativ neue Anlage in Bayern mit 11 modernen Nordex-Windkraftanlagen rentiert sich offensichtlich nicht. Die Simulation kommt bei diesen Anlagen auf eine Auslastung von 25 Prozent. Real liegt die Auslastung aber laut Betreiber deutlich unter 20 Prozent, da es immer wieder zu Abschaltungen aufgrund des Artenschutzes kommt.


Wie wird die Auslastung einer Windkraftanlage ermittelt?

Die Auslastung einer Windkraftanlage wird aus der jährlich produzierten Strommenge und der Nennleistung der Anlage ermittelt. Eine Auslastung von 30 Prozent bedeutet, dass die Anlage soviel Strom erzeugt hat, als wäre sie an 30 Prozent aller Stunden eines Jahres mit ihrer Nennleistung gelaufen und den Rest der Zeit stillgestanden.

Ab wann ist ein wirtschaftlicher Betrieb möglich?

Der Leiter des Stuttgarter Lehrstuhls für Windenergie, Po Wen Cheng, hält bei den heutigen Vergütungen eine Auslastung von mindestens 30 Prozent für einen wirtschaftlichen Betrieb einer Windkraftanlage für realistisch. Das deutsche Institut für Windenergie ging im Jahr 2003 noch von 23 Prozent Auslastung aus. Allerdings erhielten die Betreiber damals noch einen garantierten Strompreis, der deutlich über dem Marktpreis lag. Mit welchen Werten die Projektentwickler von Windparks heute rechnen, bleibt deren Geheimnis.

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