Kaum ein anderes Land beschäftigt sich so intensiv mit Degrowth wie Deutschland. Die Idee der bewussten Rezession zieht sich inzwischen durch Forschungsinstitute, Ministerien und NGOs. Während die Rezession die Industrie belastet, setzen wachstumskritische Kreise auf eine neue Form ökonomischer Nachhaltigkeit. Ihr Ziel lautet: weniger Produktion, weniger Konsum, weniger Wachstum und mehr Nachhaltigkeit durch Klimaschutz. Unterstützt wird die Wirtschaftskritik der Degrowth-Bewegung auch politisch, direkt durch Fördergelder und indirekt über EU-Programme (nzz: 20.10.25).
Degrowth Netzwerk mit wachsendem Einfluss
Im Mai 2023 veröffentlichten über 400 Organisationen und Aktivisten einen offenen Brief, in dem sie eine „demokratisch geplante und gerechte Reduzierung von Produktion und Konsum“ forderten. Hinter diesem Aufruf steht das Netzwerk der Degrowth Bewegung, das unter dem Motto „Weniger ist mehr“ arbeitet. Zahlreiche Unterzeichner stammen aus Deutschland, darunter NGOs, Denkfabriken und Forschungseinrichtungen.

Obwohl die Bundesregierung offiziell keine Mitgliedschaft besitzt, fließt dennoch Geld in viele Projekte. Unterstützt durch Programme der EU, an denen Deutschland bis 2027 mit über einer Milliarde Euro beteiligt ist, festigt sich der Einfluss dieser wachstumskritischen Ideologie. Das Konzept des Postwachstums gilt seinen Anhängern als Alternative zu einem Wirtschaftssystem, das aus Sicht der Bewegung die natürlichen Grenzen des Planeten überschreitet.
Wachstumskritik mit historischem Fundament
Die Idee, wirtschaftliches Wachstum grundsätzlich zu hinterfragen, reicht bis in die 1970er Jahre zurück. Der Club of Rome legte mit seiner Studie „Die Grenzen des Wachstums“ die Basis für die spätere Degrowth Philosophie. Schon damals galt Ressourcenknappheit als Bedrohung für Wohlstand und Umwelt. Heute beziehen sich zahlreiche Studien auf diese Argumente, um ein Leben in Balance mit der Natur zu propagieren.
2008 erhielt die Bewegung durch eine Konferenz in Paris internationalen Auftrieb. Seitdem wächst die Zahl der Studien rasant, besonders in Deutschland. Laut Ökonom Ivan Savin konzentrieren sich viele Arbeiten auf die positiven Effekte sinkenden Wachstums. Kritiker verweisen jedoch auf den Mangel an wissenschaftlicher Objektivität und warnen vor ideologisch geprägter Wachstumskritik.
Forschung als Instrument des politischen Wandels
Renommierte Einrichtungen wie die Fraunhofer Gesellschaft oder das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung beschäftigen sich intensiv mit Degrowth und Postwachstum. Fraunhofer kam 2022 zu dem Schluss, dass Innovation auch ohne Wachstum möglich sei. Zwei Jahre später empfahl das Institut, politische Strukturen so zu gestalten, dass ökologische Ziele auch bei Stagnation erreichbar bleiben.
Das Potsdamer Institut sorgte mit einer weiteren Untersuchung für Aufsehen. Darin hieß es, die Weltwirtschaft drohe bis 2050 durch den Klimawandel rund 19 Prozent an Einkommen zu verlieren. Obwohl methodische Fehler eingeräumt werden mussten, nutzten Institutionen wie die OECD und die Weltbank die Ergebnisse für ihre Klimamodelle. Diese Verbindung von Klimaschutz und Wirtschaftssteuerung gilt als Kern moderner Degrowth Strategien.
Zentralbanken zwischen Risiko und Ideologie
Das Network for Greening the Financial System, ein Zusammenschluss von Zentralbanken, verwendet die Potsdamer Daten, um künftige Klimarisiken zu bewerten. Dabei steht Deutschland im Zentrum. Sabine Mauderer, Vizepräsidentin der Bundesbank, leitet das Netzwerk. Politikwissenschaftlerin Jessica Weinkle sieht in dieser Entwicklung einen bewussten Kurs hin zu Deindustrialisierung und Schrumpfung. Ihrer Einschätzung nach passt das wirtschaftliche Tief Deutschlands perfekt zum Leitbild des Degrowth Konzepts.
Kritiker befürchten, dass diese Haltung langfristig Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Dennoch bleibt der politische Rückhalt groß. Die Nachhaltigkeitspolitik ersetzt zunehmend traditionelle Wachstumsziele, ein Wandel mit ungewissem Ausgang.
Vom Ideal des Verzichts zur staatlichen Förderung
Trotz der anhaltenden Rezession investiert die Bundesregierung weiter in wachstumskritische Bildungsprojekte. Das Entwicklungsministerium stellte 43 Millionen Euro bereit, um Programme über Konsumverzicht und Nachhaltigkeit zu finanzieren. Dazu zählen Workshops, Stadtführungen und Kampagnen, die Bürgern das Konzept des Postwachstums näherbringen sollen.
Der Bund der Steuerzahler kritisierte diese Ausgaben scharf. Schließlich stammen die Fördermittel aus wirtschaftlicher Leistung, die von denselben Institutionen als Problem gesehen wird. Doch die Begeisterung für Degrowth bleibt ungebrochen und mit ihr die Hoffnung auf ein neues Wirtschaftsmodell, das Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und ökologische Balance vereint.
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