Neue Gasheizungen sollen schon ab kommendem Jahr eigentlich nicht mehr eingebaut werden. Die Pläne der Ampelregierung sehen bei der Wärmewende jedoch Ausnahmen vor, unter anderem für Anlagen, die mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können. Die FDP hatte unter Verweis auf die Technologieoffenheit darauf gedrungen. „H2-Ready-Heizungen“ gibt es bereits, ihr flächendeckender Betrieb mit Wasserstoff bleibt bislang jedoch weitgehend Theorie (Spiegel: 14.04.23).
Was sieht der Gesetzentwurf vor?
Zulässige Gasheizungen sollen künftig mit einem „H2-Ready-Label“ gekennzeichnet werden. Die Anlagen müssen dann ab 2030 mindestens 50 Prozent und spätestens ab 2035 mindestens 65 Prozent klimaneutralen Wasserstoff verbrennen, was der Eigentümer nachweisen muss. Voraussetzung für den Einbau einer solchen Heizung ist zunächst aber, dass von dem zuständigen Gasnetzbetreiber ein verbindlicher Plan für einen Wasserstoffanschluss vorgelegt wird, damit die Versorgung mit Wasserstoff künftig überhaupt möglich ist.
Ein Gebäudeeigentümer muss für diesen Plan einen Nachweis einholen und aufbewahren. Die örtliche Regulierungsbehörde muss den Wasserstoff-Versorgungsplan außerdem absegnen. Scheitert das Umstiegsvorhaben, obliegt es dem Eigentümer, auf andere Weise die Klimaschutzvorgaben für seine Heizung zu erfüllen. Mehrkosten dadurch kann er aber beim Gasnetzbetreiber geltend machen. In der Praxis gibt es aber eine Reihe an Hindernissen:
Die Umrüstung von Gasheizungen
Wasserstoff als Gas hat andere Eigenschaften als klassisches Erdgas, kann unter Umständen jedoch ähnlich wie dieses als Brennstoff in Gasheizungsanlagen verwendet werden. Laut Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie müssen für das vollständige Umstellen einer Heizanlage Einstellungen am Gasbrenner verändert werden. Technisch sei das möglich, in der Breite bei Bestandsheizungen aber sehr aufwendig. Zurzeit sind nach Angaben des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft noch keine reinen Wasserstoffheizungen auf dem Markt.
Die Verfügbarkeit von Wasserstoff zur Wärmewende
Besonders klimafreundlich ist grüner Wasserstoff, der durch Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt wird. Laut dem Gesetzentwurf der Koalition ist auch sogenannter blauer Wasserstoff zulässig, der mit Erdgas hergestellt wird. Dabei wird klimaschädliches CO2 freigesetzt, das jedoch abgespalten und weiterverwendet oder eingelagert wird. Beide Sorten sind bisher aber nur in geringen Mengen verfügbar. Dem Energieexperten Jan Rosenow vom Thinktank RAP zufolge hätte die globale Produktion von grünem Wasserstoff im Jahr 2021 gerade einmal für 0,2 Prozent des Energiebedarfs für Heizungswärme und Warmwasser gereicht.
Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), hält dagegen: Das mittel- und langfristige Potenzial für Wasserstoff – sowohl heimisch erzeugt als auch aus EU- und Drittländern – sei groß und könne nach Studien des DVGW sogar den gesamten deutschen Primärenergiebedarf decken, allerdings frühestens ab 2030.
Die Umstellung der Verteilernetze
Die Umrüstung weiter Teile der bestehenden Gasinfrastruktur auf die Durchleitung von Wasserstoff ist grundsätzlich möglich. Dem DVGW zufolge wird dafür zurzeit ein standardisiertes Verfahren per Umstellzonen erarbeitet. Eine Umstellung politisch „zu erzwingen“, sei jedoch „unrealistisch“. Auch im Bundeswirtschaftsministerium gilt ein Umbau großer Teile des deutschen Netzes als nicht wirtschaftlich.
Experte Fischedick geht davon aus, dass es bis 2035 ein „Kernnetz“ für Wasserstoff geben wird. Dieses würde allerdings nur Großverbraucher, etwa in der Industrie, beliefern. Eine Umstellung im engmaschigen Verteilernetz hält er dagegen für unwahrscheinlich. Auch Rosenow verweist auf mögliche Probleme, etwa könne Wasserstoff ältere Rohre korrodieren und der Austausch von Zählern und anderen Komponenten hohe Kosten verursachen.
Wie relevant ist die Wasserstoff-Option für die Wärmewende?
Fischedick räumt der Wasserstoff-Heizung „allenfalls eine Nischenfunktion“ ein. Das liege zum einen an effizienteren Alternativen wie der Wärmepumpe oder dem Anschluss an ein Wärmenetz. Zum anderen sei Wasserstoff auf absehbare Zeit für die Wärmewende eben nur sehr begrenzt verfügbar. Der knappe Wasserstoff sollte besser in alternativlosen Bereiche verwendet werden, etwa in der Industrie. Wasserstoff für den Endverbraucher hält Fischedick höchstens in Stadtquartieren, die durch nahegelegene Industriestandorte ohnehin versorgt werden, für realistisch.
Ähnlich sieht es Rosenow und verweist insbesondere auf den Effizienzgrad: Um ein Haus mit grünem Wasserstoff zu heizen, werde etwa fünfmal mehr Wind- oder Solarenergie benötigt als für das Heizen mittels Wärmepumpe. Er warnt außerdem vor „Verunsicherungen von Verbrauchern“. Umweltschützer kritisieren die Ausnahme für H2-Ready-Heizungen als „Mogelpackung“, um weiterhin Gasheizungen in Betrieb nehmen zu können.
AFP