Warum weniger Gas über Nord Stream 1 kommt

Seit einigen Tagen kommt über die Pipeline Nord Stream 1 nur noch 40 Prozent der üblichen Gasliefermenge. Die Versorgungslage ist mittlerweile so bedrohlich, dass Wirtschaftsminister Habeck die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen hat. Habeck benennt auch gleich die Gründe für die reduzierte Lieferungen. So behauptet er zum Beispiel: Putin will, dass sich unser Land zerlegt. Aber wir zerlegen uns nicht, oder er bezeichnet die Gasdrosselung als Angriff auf Deutschland und bezichtigt Russland aus politischen Gründen weniger Gas zu liefern. Habeck behauptet sogar, dass Russland Gas als Waffe gegen Deutschland einsetzt. Schon der griechische Philosoph Aischylos (525-456) hat erkannt. „Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer“. Warum weniger Gas über Nord Stream 1 kommt, hat durchaus andere Gründe.


Gasverdichter hängen nach Wartung in Kanada aufgrund Boykottmaßnahmen fest

Die wahre Ursache liegt wohl eher in einem technischen Problem, welches dazu auch noch auf die eigenen Boykottmaßnahmen zurückzuführen ist. Der Einspeisepunkt von Nord Stream 1, die Verdichterstation Portovaya in Russland, benötigt sechs große Gasverdichter, um Gas mit voller Kapazität in die Ostseepipeline zu pumpen. Diese Gasverdichter kommen von Siemens Energy und müssen aus Sicherheitsgründen regelmäßig gewartet werden. Der Betrieb dieser Turbinen ist nach Ablauf des Wartungsintervalls nicht mehr zulässig, es wäre auch viel zu gefährlich. Eine dieser Turbinen hat Siemens Energy vor kurzem im kanadischen Montreal überholt. Allerdings weigert sich Kanada diese jetzt wieder zurückgegeben, da kanadische Sanktionen, den Export wichtiger technischer Dienstleistungen in die russische Industrie für fossile Brennstoffe verbieten. Aktuell arbeiten in der Verdichterstation Portovaya gerade noch zwei Gasverdichter, da weitere zur Wartung anstehen und aufgrund der Boykottmaßnahmen eine Lieferung zum Hersteller ebenfalls nicht möglich ist.

Warum weniger Gas über Nord Stream 1 kommt. Gasverdichter hängen nach Wartung in Kanada aufgrund Boykottmaßnahmen fest
Bild: Wikideas1, CC0, via Wikimedia Commons

Russland sei bereit, die Europäische Union zu beliefern, aber die Turbinen müssten nach der Wartung zurückgegeben werden, teilte der Kreml diese Woche mit. Eine Lösung des Problems ist allerdings noch nicht in Sicht.

Kanada sucht nach Lösung, will aber nicht gegen Boykott verstoßen

„Wir wollen die Sanktionen respektieren, weil die Sanktionen aus einem bestimmten Grund verhängt wurden“, sagte der kanadische Minister für natürliche Ressourcen, Jonathan Wilkinson, in einem Interview mit Bloomberg. „Abgesehen davon war die Absicht der Sanktionen nie, Deutschland, das einer unserer engsten Freunde und Verbündeten ist, erhebliche Schmerzen zuzufügen. Daher beschäftigt uns dieses Thema sehr.“
„Wir sprechen mit Deutschland und versuchen, einen Weg zu finden, durch den wir den Gasfluss tatsächlich ermöglichen können“, sagte Wilkinson. „Es kann verschiedene Optionen geben, die wir prüfen können.“ Fakt ist allerdings, die Turbine steckt nach wie vor in Kanada fest. Dadurch kann sich die Situation noch weiter verschärfen, denn schon in wenigen Tagen stehen die nächsten Wartungsarbeiten an. Dabei ist, wie jedes Jahr Anfang Juli, eine komplette Abschaltung von 10 Tagen vorgesehen. Das dürfte die Situation in Deutschland noch weiter verschärfen, denn es dürfte dann kaum mehr gelingen, die Gasspeicher vor dem Winter auf den gesetzlichen Mindesfüllstand zu bringen.


Bundesregierung schließt Lieferung über Nord Stream 2 aus

Die reduzierte Liefermenge könnte auch über die Jamalpipeline ausgeglichen werden. Doch dort hat die Ukraine die Durchleitung gedrosselt, mit dem Argument, dass eine Durchleitung beim aktuellen Kriegsgeschehen zu gefährlich sei. Alternativ könnte jederzeit Gas über die neue Pipeline Nord Stream 2 nach Deutschland geliefert werden, was von Russland auch bereits angeboten wurde. Dies lehnt allerdings die deutsche Regierung vehement ab. Der Leittragende ist der Deutsche Verbraucher, denn die Gaspreise dürften in den nächsten Tagen und Wochen noch einmal kräftig steigen.

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