Immer mehr Familien transportieren ihre Kinder in Lastenrädern – doch Crashtests enthüllen gravierende Sicherheitsmängel. Bei einem öffentlich durchgeführten Test in Münster kippt ein schweres Rad um, die Kinder-Dummys krachen ungebremst auf den Asphalt. Die Unfallforschung der Versicherer sieht dringenden Handlungsbedarf (chip: 16.05.25).
Lastenräder im Familienalltag: Beliebt, aber instabil
Laut einer aktuellen Untersuchung des Versicherungs-Forschungsinstituts nutzen inzwischen rund ein Drittel der Eltern ein Lastenfahrrad für den Transport ihrer Kinder. Besonders Modelle mit zwei Vorderrädern und einer Box vor dem Fahrer stehen hoch im Kurs. Doch gerade diese Bauart gilt als besonders instabil. Bei Ausweichmanövern oder abruptem Bremsen kippen die Gefährte schnell zur Seite.

Beim Crashtest in Münster zieht ein Auto überraschend von rechts auf die Straße. Der Radfahrer weicht nach links aus, das Rad kippt. Der Fahrer und das Kind schlagen auf dem Boden auf. „Die Folgen wären fatal – beiden könnten schwer verletzt sein“, erläutert Kirstin Zeidler von der Unfallforschung. Dummys belegen: Kopf und Oberkörper der Kinder liegen nach dem Aufprall schutzlos auf dem Asphalt.
Sicherheitsmängel durch Bauweise und Geschwindigkeit
Viele Lastenräder bringen durch E-Motoren zusätzliches Gewicht mit. Die damit verbundene Geschwindigkeit verschärft das Risiko. Besonders problematisch sind einfache Sitzbänke ohne Seitenhalt, fehlender Kopfschutz und mangelnde Sicherung durch Gurte. Einige Modelle bieten keinerlei Schutzvorrichtungen für Kinder im Fall eines Unfalls.
Zeidler mahnt: Stabile Sitze mit Kopfstützen, eine Sicherheitszelle für den Aufprall und funktionierende Gurte sollten Standard sein. Eine Neigetechnik, die mehr Fahrstabilität bietet, könne ebenfalls zur Sicherheit beitragen. Wer ein Lastenrad anschafft, müsse genau auf diese Details achten – und keine Kompromisse eingehen.
Helmquote zu niedrig, Schutzgefühl trügt
Trotz der Risiken trägt nur etwa jedes zweite Kind im Lastenrad einen Helm. Das ergab die Untersuchung der Versicherer. Die Transportbox suggeriere vielen Eltern eine falsche Sicherheit. Dabei könne bereits ein harmlos erscheinender Sturz zu schweren Kopfverletzungen führen. Der Helm schützt in solchen Momenten entscheidend – muss aber konsequent getragen werden.
Auch Alternativen wie Kindersitze und Fahrradanhänger bieten keinen optimalen Schutz. Zeidler betont: Fahrradanhänger geraten bei Vollbremsungen schnell aus der Spur, während Kindersitze auf dem Gepäckträger durch ihren hohen Schwerpunkt das Rad instabil machen. Besonders im Stand oder beim Ausweichen steige die Sturzgefahr deutlich.
Unfallzahlen steigen – Regelungslücken bleiben
Die Zahl verletzter Kinder bei Fahrradunfällen nimmt zu. Im Jahr 2022 verzeichnete die Polizei bundesweit 222 verletzte Kinder bis sieben Jahre in Verbindung mit Radtransporten – 45 Prozent mehr als noch 2019. Zwölf Kinder erlitten dabei schwere Verletzungen. Der Trend ist alarmierend, zumal der Boom bei Lastenrädern anhält.
Die Forschenden prüften auch Zubehör wie Bremsen oder Beleuchtung für Anhänger und fordern Nachbesserungen. Bei Kindersitzen könnte eine Reduzierung des maximal zulässigen Gewichts von 22 auf unter 20 Kilogramm mehr Stabilität schaffen. Zudem wären sichere Dreibein-Ständer für Räder mit Kindersitz sinnvoll.
Gesetzliche Vorgaben fehlen – Hersteller in der Pflicht
Am deutlichsten fällt das Urteil jedoch für das Lastenrad selbst aus. „Lastenfahrräder haben Aufholbedarf – und es gibt bisher kaum Vorgaben“, heißt es seitens der Unfallforschung. Die Straßenverkehrsordnung enthalte keinerlei spezielle Anforderungen für den Transport von Kindern mit solchen Fahrzeugen. Auch die zuständige DIN-Norm bleibt vage. Sie fordert lediglich einen geeigneten Kindersitz mit Gurtsystem – mehr nicht.
Diese Lücke gefährdet die Sicherheit tausender Kinder täglich. Zeidler fordert klare Vorschriften und ein Umdenken bei Herstellern. Auch Eltern müssten ihren Beitrag leisten, etwa durch die konsequente Nutzung von Helm und Gurt. Sicherheit dürfe kein Zusatz sein – sondern ein fester Bestandteil jeder Fahrt.
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