Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), hat bei der Eröffnung der Nutzfahrzeug-IAA in Hannover davor gewarnt, dass die deutsche Automobilindustrie und deren Zulieferer ihre Produktionsstätte ins Ausland verlegen könnten. Als Ursache nannte sie die explodierenden Energiekosten.
Zehn Prozent der Unternehmen in der Automobilindustrie haben bereits Liquiditätsprobleme
Laut Hildegard Müller litten vor allem die Zulieferer unter den massiven Kostensteigerungen, insbesondere bei der Energie. Bereits gut zehn Prozent der im VDA organisierten Unternehmen hätten bereits enorme Liquiditätsprobleme. Gut ein Drittel würde zudem signifikante Probleme in den kommenden Monaten erwarten. „Die Hälfte unserer Mitglieder hat deshalb bereits geplante Investitionen gestrichen oder verschoben und mehr als ein Fünftel verlagert nun ins Ausland“, sagt Müller in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (sueddeutsche: 27.09.22).
Laut Müller hätte die Branche zwar noch angestaute Aufträge, die vor allem wegen des Halbleitermangels und des Rohstoffmangels warten mussten, abzuarbeiten. Doch die neuen Aufträge würden bei den Herstellern bereits spürbar zurückgehen. Die volkswirtschaftlichen Erwartungen würden sich geradezu wöchentlich verschlechtern, denn die Verbraucher würden bei Neukäufen aufgrund der höheren Belastung durch die Energiekrise mittlerweile zögern.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilbranche verschlechtert sich dramatisch
Die Wettbewerbsfähigkeit für die Automobilbranche verschlechtert sich in Deutschland mit einer dramatischen Geschwindigkeit, sagt Müller. Automobilhersteller würden ihr Geld zwar in erheblichem Umfang in ausländischen Märkten außerhalb Europas verdienen, müssten aber ihre Gewinne sehr stark für die Transformation hin zum Elektroauto einsetzen und deshalb Rekordsummen in neue Investitionen stecken. Müller fordert deshalb von der Regierung eine drastische Senkung der Energiepreise. Bei den Energiekosten müssten so schnell wie möglich die Steuern, Abgaben und Umlagen reduziert werden.
Dazu fordert sie Wirtschaftsminister Habeck auf alles ans Netz nehmen, was Strom produzieren kann. Eine signifikante Reduzierung der Preise sei nur mit einer Erhöhung des Angebots möglich. Die jetzt nachgelagerten Hilfspakete für die Wirtschaft hält sie für nicht zielführend. Schon bei der Gasumlage hätte das Wirtschaftsministerium die konstruktive Kritik der Wirtschaftsverbände nicht angenommen. Dadurch sei bei einigen Unternehmen bereits großer Schaden entstanden, da sie bei Ausschreibungen gegen ausländische Konkurrenz mit geringeren Energiekosten verloren haben. Mit einem Seitenhieb auf Habeck sagt Müller: „Ein Ministerium, das aufs andere verweist, das kann sich Deutschland jetzt nicht leisten“.
Ideologische Diskussionen müssen endlich beendet werden
Müller drängt darauf, endlich die von Ideologie geprägten Diskussionen einzustellen und zu handeln. „Wir nehmen gefracktes Gas aus allen Teilen der Welt, aber wir selbst lehnen schon die Debatte über Fracking bei uns ab. Bisher konnten wir in Deutschland Unbequemes auslagern. Das geht nicht mehr. Fakt ist: In Zukunft werden wir uns wieder selbst mehr helfen müssen. Dabei gilt: Wir müssen die Debatten entideologisieren. Es werden harte Zeiten auf uns zukommen“.
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