Die USA treiben den Ausbau der Atomenergie voran, wobei das spaltbare Material Uran-235 eine zentrale Rolle spielt. Doch die Versorgung stockt. Vor allem für den Betrieb kleiner modularer Atomreaktoren (SMR), die als vielversprechend gelten, fehlt das nötige angereicherte Uran. Diese Reaktoren sollen nicht nur sicherer, sondern auch kostengünstiger sein und weniger radioaktiven Abfall erzeugen. Doch sie benötigen eine spezielle Form des Brennstoffs: das sogenannte HALEU (High-Assay Low-Enriched Uranium). Dabei handelt es sich um Uran, das auf einen Gehalt von etwa 20 Prozent Uran-235 angereichert wird. Diese höhere Konzentration ermöglicht es, SMR effizienter und kompakter zu gestalten als herkömmliche Reaktoren, die nur mit 5 Prozent angereichertem Uran (LEU) arbeiten. Jedoch mangelt es in den USA an ausreichenden Mengen dieses speziellen Brennstoffs (futurezone: 11.09.24).
Herausforderungen durch Lieferstopp aus Russland
Bis vor kurzem war das russische Unternehmen Tenex der einzige Lieferant von HALEU. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs stoppte die US-Regierung jedoch den Import von angereichertem Uran aus Russland. Dies führte zu einem Engpass. Schätzungen zufolge benötigt die amerikanische Nuklearindustrie bis 2030 mindestens 40 Tonnen HALEU, doch die vorhandenen Anreicherungsanlagen in den USA sind nicht in der Lage, diese Nachfrage zu decken. Um die Lieferkette wieder in Gang zu bringen, plant die US-Regierung Investitionen in Höhe von 2 Milliarden Dollar. Allerdings wird es dauern, bis diese Maßnahmen greifen.
Angesichts dieser Verzögerungen bleibt den USA momentan nur eine unkonventionelle Lösung: der Rückgriff auf Atomwaffen. Das angereicherte Uran in alten Atomwaffen bietet eine wertvolle Quelle, um den dringend benötigten Brennstoff für die SMR zu gewinnen.
Nutzung von Uran aus Atomwaffen
In Atomwaffen befindet sich Uran, das auf 85 Prozent Uran-235 angereichert ist – ein weitaus höherer Gehalt, als für die Reaktoren notwendig. Doch dieses Material lässt sich durch Vermischung mit nicht angereichertem Uran auf die benötigten 20 Prozent „verwässern“. Dazu werden alte Atombomben demontiert und das Uran-235 wird bei extrem hohen Temperaturen eingeschmolzen und anschließend weiterverarbeitet. Dieser Prozess erlaubt es, aus den Waffen den begehrten Brennstoff für die kleinen Reaktoren zu gewinnen.
Bis 2027 soll auf diese Weise eine Menge von etwa 7 Tonnen HALEU bereitgestellt werden. Diese Menge ist zwar bei weitem nicht ausreichend, um den Bedarf der US-Nuklearindustrie vollständig zu decken, doch es stellt einen wichtigen ersten Schritt dar.
Ein Rohstoff von strategischer Bedeutung
Wie viel hochangereichertes Uran die USA tatsächlich besitzen, bleibt ein Staatsgeheimnis. Jeff Navin, Sprecher des von Bill Gates unterstützten Nuklearunternehmens TerraPower, betont jedoch: „Die USA haben mehr als genug hochangereichertes Uran, um viele Tonnen HALEU zu produzieren.“ Der Rückgriff auf alte Atomwaffen könnte also zumindest vorübergehend die Versorgungslücke schließen, bis eine stabile Infrastruktur für die Urananreicherung aufgebaut ist.
Damit zeigt sich, dass die USA trotz des geopolitischen Konflikts und den daraus resultierenden Einschränkungen in der Lage sind, innovative Lösungen zu finden, um ihre Energieziele zu erreichen. Der Erfolg der kleinen modularen Reaktoren hängt jedoch langfristig davon ab, ob es gelingt, eine nachhaltige Versorgung mit HALEU sicherzustellen.
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