Der angeschlagene Gas- und Stromgroßhändler Uniper zapft seit einigen Tagen die eigenen Gasspeicher an und senkt damit im nationalen Maßstab den Füllstand, der eigentlich bis zum Winterbeginn auf 90 % steigen sollte. Doch Uniper hat keine andere Chance: Gas aus Russland fließt derzeit nicht, die Preise am Spotmarkt haben Rekordhöhen erreicht, Uniper muss aber langfristige Lieferverträge erfüllen (faz, 15.07.2022)
Jetzt wurde bekannt, dass der Konzern einen KfW-Kredit von zwei Milliarden Euro in Anspruch nimmt, um seine laufenden Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Die Verschuldung von Uniper und die sich leerenden Gasspeicher lassen an düstere Zukunftsszenarien denken.
Liquiditätssicherung bei Uniper
Das Anzapfen der eigenen Gasspeicher dient Uniper augenblicklich nach Aussagen eines Konzernsprechers der Liquiditätssicherung. Demnach könnte das Unternehmen Gas zukaufen, minimiert diese Einkäufe aber aufgrund der rasant gestiegenen Preise am Spotmarkt. Noch hat das Anzapfen der eigenen Speicherreserven durch Uniper für den Gesamtfüllstand der deutschen Gasspeicher nur geringe Folgen.
Am Freitag (15. Juli 2022) meldete die Bundesnetzagentur, dass die Menge des ein- und ausgespeicherten Gases in etwa gleich sei. Der europäische Gasinfrastrukturbetreiber GIE konkretisierte diese Aussage: Am Donnerstag (14. Juli) war der Füllstand um 0,01 % gestiegen, am Mittwoch (13. Juli) um 0,06 % gesunken.
Warnung der Bundesnetzagentur
Zuletzt am Donnerstag (14. Juli 2022) hatte die Bundesnetzagentur gewarnt, dass man bei einer gegenwärtigen Gasentnahme aus den Speichern den anvisierten Füllstand vor dem Winterhalbjahr nicht erreichen werde. Die gesetzlich vorgegebenen Speicherfüllstände seien aber notwendig. Man müsse Reserven für eine erwartbare Mangellage aufbauen. Das schon vor Monaten beschlossene Gasspeichergesetz schreibt einen Füllstand von 80 % am 1. Oktober (jedes Jahres ab 2022) und von 90 % am 1. November vor. Aktuell sind die Speicher zu 64,5 % gefüllt. Immerhin ist das deutlich mehr als vor glatt einem Jahr, wo die Speicher zu 45,3 % gefüllt waren.
Tauziehen um Uniper
Der Chef des Energieversorgers Uniper Klaus-Dieter Maubach verweist darauf, dass das Anzapfen der eigenen Gasspeicher ein Schritt mit Ansage sei. Er selbst hatte schon vor Monaten angekündigt, dass man möglicherweise bei stark steigenden Gaspreisen eigene Speicher angreifen müsse. Uniper gehört mehrheitlich zum teilstaatlichen finnischen Konzern Fortum und erhält demnach seine Hauptanweisungen aus Helsinki.
In Deutschland ist das Unternehmen wiederum der größte Gasimporteur, der nun durch den Fokus auf russisches Gas in die Krise geraten ist und um Hilfe der Bundesregierung gebeten hat. Schon mit dem Beginn des Ukrainekrieges im Februar, doch noch viel mehr seit den jüngsten russischen Gaskürzungen sind die Preise durch die Decke gegangen und bringen die Importeure und Versorger in Schwierigkeiten. Sie kaufen häufig kurzfristig Gas zu aktuellen Marktpreisen ein, haben aber ihren Abnehmern in langfristigen Verträgen die Lieferung zu früheren Preisen garantiert.
Gaspreise am Spotmarkt auf das Siebenfache gestiegen
Diese Strategie funktioniert normalerweise und erlaubt den Unternehmen eine flexible Reaktion auf die schwankenden Preise am Spotmarkt. Wenn diese sinken, decken sie sich mit großen Mengen günstig ein, wenn sie steigen, reduzieren sie die Einkaufsmengen. Das kann bei gleichbleibenden Endpreisen für die Verbraucher zu hohen Gewinnmargen führen. Seit 2022 funktioniert dieser Mechanismus aber nicht mehr: Die Preise am Spotmarkt haben sich versiebenfacht und dürfen bislang nach geltender Rechtslage nicht an die Endabnehmer durchgereicht werden (was sich ändern könnte). Unternehmen wie Uniper, aber auch viele Stadtwerke geraten momentan in schwerwiegende Defizite: Sie kaufen das Gas teurer ein, als sie es weiterverkaufen.
Uniper könnte darüber straucheln. Bislang wird um die Zukunft des Versorgers gerungen, ein Durchbruch ist bislang nicht in Sicht. Es laufen gegenwärtig Verhandlungen sowohl zwischen der Konzernspitze und der deutschen Bundesregierung als auch zwischen deutschen und finnischen Regierungsvertretern, da Uniper in Teilen dem finnischen Staat gehört. Die Verhandlungsführerin der finnischen Regierung ist die Europaministerin Tytti Tuppurainen, die letzte Woche in Berlin mit deutschen Regierungsvertretern über den Fall Uniper sprach. Sie drängte wie die Konzernmutter Fortum auf rasche finanzielle Hilfe für Uniper, die auch mit dem KfW-Kredit von zwei Milliarden Euro gewährt wurde. Offen ist, ob sich die finnische Regierung ebenfalls an Hilfen für den Konzern beteiligt.
Versorgungssicherheit im Fokus
Der Chef des Fortum-Konzerns Markus Rauramo betonte indes, dass es seinem Unternehmen um die Stabilität und Sicherheit der europäischen Energiemärkte gehe. Daher prüfe man gegenwärtig alle Optionen, um den deutschen Ableger Uniper zu retten, in den sein Unternehmen viel Geld investiert habe. Dabei hoffe man auf die Hilfe sowohl der deutschen als auch der finnischen Regierung. Auch Tuppurainen hatte gesagt, man schließe keine Option aus. Sie ging dabei allerdings nicht ins Detail, sondern verwies nur auf eine „ intensive und kritische Phase“ der Verhandlungen. Möglicherweise lassen die finnischen Anteilseigner auch irgendwann Uniper fallen.
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