Seit Monaten verfechten insbesondere die Grünen die Idee ihres Wirtschaftsministers Habeck von der Abschöpfung sogenannter Übergewinne von Energieunternehmen. Die Abschöpfung dieser Übergewinne soll dann zur Finanzierung der Strompreisbremse genutzt werden. Was in Talkshows einfach klingt, ist in der Realität nur schwer umsetzbar. Deshalb muss die Bundesregierung die Verabschiedung des entsprechenden Gesetzentwurfs im Bundestag erst einmal verschieben. Habeck bekommt jetzt sogar Widerstand aus den eigenen Reihen (Welt: 15.11.22)
Habeck will Übergewinne abschöpfen, doch das gestaltet sich schwieriger als er sich das vorgestellt hat
Die Vertreter der Ampel-Parteien müssen gerade wieder einmal mehr erfahren, dass nicht alles so einfach ist, wie es sich die Politiker vorstellen. Nach der Gasumlage scheitert zum wiederholten Mal ein Vorhaben aus dem Wirtschaftsministerium, nämlich die geplante Abschöpfung von sogenannten „Zufallsgewinnen“ auf dem Strommarkt. Ganz offensichtlich stimmt sich das Ministerium nicht mit Experten bezüglich der Umsetzung von politischen Ideen ab, bevor man damit an die Öffentlichkeit geht.
Mit der Abschöpfung der Übergewinne bei den Stromkonzernen wollte Habeck die Strompreisbremse finanzieren. Private Haushalte sollten ab Januar für 80 Prozent ihres Verbrauchs nicht mehr als 40 Cent je Kilowattstunde zahlen müssen. Dazu sollten die Stromkonzerne über eine noch zu definierende Schwelle hinausgehenden Erlöse zu 90 Prozent an den Staat abführen. Diese Gewinnabschöpfung sollte für die Stromerzeugung aus Kernenergie, Braunkohle, Müllverbrennung, Mineralöl und auch für erneuerbare Energien gelten.
Abgeschöpfte Gewinne fehlen beim Ausbau der erneuerbaren Energien
Dabei hat das Ministerium übersehen, dass die betroffenen Firmen diese Gewinne zum größten Teil wieder in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren. Tobias Goldschmidt, Energie- und Umweltminister des Landes Schleswig-Holstein, sieht deshalb plötzlich wichtige Investitionen in die Energiewende bedroht. „Schleswig-Holstein ist Energiewende-Land und mir bereiten die Pläne der Bundesregierung deshalb große Sorge“, sagt der Politiker der Grünen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien liege bereits deutlich hinter Habecks Plan. Mit der Gewinnabschöpfung fehle gerade den Betreibern von Windkraftwerken, Solarparks und Biogasanlagen das Geld für weitere Investitionen. Viele Ökostromerzeuger hätten neue Projekte in Angriff genommen, für die sie genau diese Gewinne bereits verplant haben.
Dass die Gewinnabschöpfung kontraproduktiv bezüglich der eigenen Ziele sein könnte, ist mittlerweile auch in Berlin angekommen. Regierungssprecherin Christiane Hoffmann teilte deshalb auf einer Pressekonferenz mit, dass die Gas- und Strompreisbremse insgesamt ein „sehr komplexes und schwieriges Vorhaben“ sei. Dies sei auch der Grund, warum man die vorgesehene Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Kabinett noch einmal verschieben müsse. Jetzt sei geplant, das gesamte Vorhaben Anfang Dezember vom Bundesrat bewilligen zu lassen.
Lindner hat bereits Mitte Mai auf das jetzt diskutierte Problem hingewiesen
FDP-Chef Christian Lindner hatte allerdings bereits Mitte Mai darauf hingewiesen, dass eine Gewinnabschöpfung alle Energieunternehmen treffen werde, also auch die reinen Ökostromproduzenten. Diese Ökostromunternehmen gar nicht oder erst später abzuschöpfen, sei aber wegen des Gleichheitsgrundsatzes nicht möglich. Dazu würden auch gerade Unternehmen, die ihr Geld bislang durch Stromerzeugung überwiegend mit fossilen Energieträgern verdienen, ihre Gewinne in erneuerbare Energien investieren. So will zum Beispiel der Energiekonzern RWE in den nächsten Jahren mehrere Milliarden Euro in Offshore- und Onshore-Windparks, Solarparks und in die Produktion von grünem Wasserstoff investieren. Schöpft der Staat die Gewinne ab, bleiben auch diese Investitionen aus.
Die Abschöpfung der Übergewinne wird unter Umständen so ausgehen wie die Gasumlage. Diese ist nach wenigen Tagen sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden. Mit viel Glück erübrigt sich diese Abschöpfung sogar von selbst, denn nach Europarecht darf der Staat nur Gewinne, die über einem Strompreis von 180 Euro pro Megawattstunde liegen, abschöpfen. Aktuell sinken die Energiepreise für alle Energieträger, wobei diese Schwelle bis zu einer endgültigen Entscheidung eventuell bereits unterschritten wird.
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