Die deutsche Industrie kämpft mit hohen Energiekosten. Miguel López, Vorstandsvorsitzender von Thyssenkrupp, fordert eine entschlossene Senkung der Strompreise. „In Europa gibt es genau zwei Regionen, die wettbewerbsfähig grünen Strom produzieren können: Skandinavien und die iberische Halbinsel“, betont er. Nach seiner Einschätzung braucht Deutschland massive Stromimporte, sonst droht ein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.
Energiepolitik und notwendige Senkung der Kosten
López betrachtet die deutsche Energiewende mit Skepsis. Eine Ausrichtung allein auf Wind und Sonne hält er für „schlichtweg nicht sinnvoll“. Der Manager plädiert stattdessen für eine europäische Lösung. Importierter Ökostrom in großen Mengen könnte den Schlüssel darstellen, damit die Industrie nicht ins Hintertreffen gerät.

Der Spitzenmanager warnt, dass der Strompreis langfristig auf drei Cent je Kilowattstunde fallen müsse. „Wenn unsere Industrie überleben will, führt kein Weg daran vorbei.“ Eine Drohung zur Abwanderung hält er für überflüssig. „Das ergibt sich von allein, da muss ich gar nicht drohen. Welche energieintensiven Unternehmen können denn das aktuelle Preisniveau durchhalten?“ Damit die Industrie zukunftsfähig bleibt, sei eine deutliche Senkung der Energiekosten unvermeidlich.
Belastungen für den Konzern
Die Folgen der hohen Preise spürt auch Thyssenkrupp deutlich. Der Konzern hat die Umsatzerwartung für das laufende Geschäftsjahr stark reduziert. Schwaches Wachstum in Schlüsselbranchen wie Automobilindustrie, Maschinenbau und Bauwirtschaft drückt die Ergebnisse. Besonders das Stahlgeschäft bereitet große Sorgen. Seit Jahren leidet die Sparte unter schwacher Nachfrage und hoher Konkurrenz. Ein Verkauf bleibt daher ein realistisches Szenario.
Die wirtschaftlichen Herausforderungen verknüpfen sich mit der globalen Konkurrenzsituation. Thyssenkrupp sieht den fairen Wettbewerb bedroht und fordert klare Maßnahmen. Vor allem die Entwicklungen in Asien und Brasilien belasten die Märkte.
Forderung nach europäischen Schutzzöllen
López spricht sich für eine konsequente Verteidigung der europäischen Industrie aus. „Wir beobachten, dass sich Kapazitäten aus dem außereuropäischen Ausland – vor allem aus Asien, aber auch aus Brasilien – in Richtung Europa verlagern.“ Das gefährde die Stabilität des Marktes. Deshalb empfiehlt er eine Anpassung an das US-Modell. „Deshalb sollten wir die Regeln der US-Regierung für den Stahl auf EU-Ebene eins zu eins übernehmen.“
Mit Importzöllen in Höhe von 50 Prozent schützt die USA ihre Stahlbranche. López hält ähnliche Instrumente für notwendig, um Wettbewerbsverzerrungen einzudämmen. Ohne diesen Schritt drohe ein massiver Verlust an Arbeitsplätzen und industrieller Substanz in Europa. Eine kluge Industriepolitik müsse neben Schutzzöllen vor allem auch auf die Senkung der Energiekosten setzen.
Marinesparte als Stabilitätsanker
Während das Stahlgeschäft unter Druck steht, gilt die Marinesparte TKMS als Hoffnungsträger. Der Konzern plant, 49 Prozent der Anteile an die Börse zu bringen. Dieser Schritt soll neue Investoren anziehen und gleichzeitig die finanzielle Basis stärken. López betont die langfristige Ausrichtung: Thyssenkrupp wolle die Mehrheit behalten, um die Kontrolle zu sichern.
Auch eine staatliche Beteiligung schließt der Vorstand nicht kategorisch aus. „Ich möchte das für die Zukunft nicht ausschließen.“ Derzeit bestehe jedoch kein konkreter Plan. Wichtig sei, TKMS als eigenständiges Unternehmen zu stärken und gleichzeitig im Konzern zu halten.
Industrie zwischen Druck und Chancen
Die Worte von López spiegeln die prekäre Lage der deutschen Industrie wider. Hohe Energiepreise, globale Konkurrenz und schwache Märkte setzen Unternehmen massiv unter Druck. Zugleich entstehen Chancen durch strukturelle Veränderungen. Mit einer klaren Strategie für Stromimporte, gezielten Schutzzöllen und einer entschlossenen Senkung der Strompreise könnte Thyssenkrupp dennoch Kurs halten.
Die Zukunft des Konzerns hängt stark von politischen Weichenstellungen ab. Energiepreise, Handelsregeln und Industriepolitik entscheiden, ob Deutschland als Standort für Schwerindustrie attraktiv bleibt. López fordert daher mutige Entscheidungen, die über nationale Grenzen hinausreichen.
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