Die Fehlzeiten in der Tesla-Fabrik in Grünheide haben stark zugenommen. Das Unternehmen bezweifelt die Echtheit vieler Krankschreibungen und verlangt von Mitarbeitern, dass sie ihre Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Wer sich weigert, riskiert den Verlust der Lohnfortzahlung. Dem Handelsblatt liegen Schreiben vor, in denen Tesla Betroffene auffordert, Diagnosen offenzulegen. Gleichzeitig droht der Konzern mit der Rückforderung bereits gezahlter Beträge. Krankentage stehen dabei im Fokus der Kontrollen (handelsblatt: 14.03.25).
Hoher Krankenstand und harte Konsequenzen
Die IG Metall berichtet von zahlreichen Fällen. Bezirksleiter Dirk Schulze betont: „Tesla zweifelt in großem Umfang ärztliche Atteste an und verweigert die Entgeltfortzahlung.“ Viele Mitarbeiter geraten dadurch in finanzielle Schwierigkeiten. Der Umgang mit erkrankten Angestellten verschärft die ohnehin angespannte Lage in der Fabrik.

Das Misstrauen zwischen Management und Belegschaft wächst. Werksleiter André Thierig machte bereits im Juli 2023 klar, dass für Unzuverlässigkeit kein Platz sei. Später versprach er eine Prämie von bis zu 2000 Euro für Mitarbeiter mit wenigen Krankentagen. Die Fehlzeiten erreichten dennoch Rekordwerte. Bis zu 17 Prozent der Belegschaft meldeten sich krank. In der Folge schickte Tesla unangekündigt Kontrolleure zu erkrankten Mitarbeitern nach Hause.
Krankentage als umstrittenes Kriterium
Die unangemeldeten Hausbesuche stießen auf Widerstand. Personalchef Erik Demmler räumte ein: „Man hat die Aggressivität einfach gespürt.“ Einige Mitarbeiter drohten mit der Polizei, andere verweigerten das Gespräch. Trotz Kritik lobte Tesla den Effekt dieser Maßnahme. Die Fehlzeiten sanken auf neun Prozent. Demmler betonte, dass das Management intensiv an diesem Thema gearbeitet und viele Gespräche geführt habe.
Besonders problematisch seien Ausfälle an Freitagen und in Spätschichten gewesen. Tesla habe durch die Maßnahmen erreicht, dass sich die Personalsituation stabilisiert. Das erleichtere die Planung und reduziere die Belastung für die Belegschaft. „Es geht darum, dass jeder die Arbeit macht, die er im Arbeitsvertrag hat“, betonte Demmler. Krankentage blieben jedoch ein sensibles Thema, da Mitarbeiter zunehmend Angst vor finanziellen Nachteilen hätten.
1900 Mitarbeiter ohne Krankentag
Werksleiter Thierig hob die positiven Entwicklungen hervor. Bei einer Betriebsversammlung lobte er die Mitarbeiter, die das gesamte Jahr ohne Krankmeldung gearbeitet haben. Diese 1900 Angestellten stünden kurz davor, die maximale Gesundheitsprämie zu erhalten. „Das ist richtig super“, sagte Thierig. Er zeigte sich überrascht, dass im Winter weniger Krankmeldungen eingingen als im Sommer. Seiner Ansicht nach sei die Arbeitsmoral gestiegen.
Gewerkschafter und Betriebsräte widersprechen. Viele Mitarbeiter hätten Angst, sich krankzumelden. Das Unternehmen setze gezielt Druck ein, um Fehlzeiten zu reduzieren. In internen Schreiben heißt es, dass „irrtümlich gezahltes Entgelt“ zurückgefordert werde. Laut IG Metall werde diese angebliche Überbezahlung als Schuld dargestellt. In Vieraugengesprächen werde Druck auf Mitarbeiter ausgeübt, Aufhebungsverträge zu unterschreiben.
Gewerkschaft rät zur Gegenwehr
IG-Metall-Bezirksleiter Schulze kritisiert das Vorgehen von Tesla scharf. Mitarbeiter müssten ständig befürchten, nicht genug Lohn für Miete und Lebensunterhalt zu erhalten. Die Methoden des Unternehmens seien „unseriös und inhuman“. Gleichzeitig würden sie das Betriebsklima verschlechtern.
Viele Tesla-Mitarbeiter haben sich juristischen Beistand geholt. Laut IG Metall nutzen sie den Rechtsschutz der Gewerkschaft deutlich häufiger als Angestellte anderer Unternehmen. Allein 2024 konnte die IG Metall fast eine halbe Million Euro an Lohnrückfälle erstreiten. Schulze empfiehlt, keine Aufhebungsverträge ohne rechtliche Prüfung zu unterschreiben. „Die vermeintlichen Überbezahlungen sind in fast allen Fällen haltlose Behauptungen.“
Musk kritisiert die IG Metall
Das Tesla-Management sieht den Einfluss der Gewerkschaft kritisch. Elon Musk behauptete bei einem Besuch in der Fabrik, dass die IG Metall in erster Linie den Interessen der Konkurrenz diene. Trotzdem gewann die Gewerkschaft bei der Betriebsratswahl im März 2024 16 Sitze und wurde damit zur stärksten Fraktion.
Tesla reagierte darauf mit einem eigenen Angebot: Seit Dezember können Mitarbeiter eine Rechtsschutzversicherung des Unternehmens abschließen. Diese kostet 18 Euro im Monat. Personalchef Demmler stellte sie als kostengünstige Alternative zur IG-Metall-Mitgliedschaft dar. Mitarbeiter müssten selbst entscheiden, ob sie den Gewerkschaftsbeitrag zahlen oder Teslas Versicherung nutzen.
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