Nach der neusten Studie des Bundesumweltamts soll die Einsparung von CO₂ bei einem Tempolimit von 120 km/h auf der Autobahn viel höher sein als bei den bisherigen Berechnungen. Die vorherige Schätzung besagte, dass ein entsprechendes Tempolimit eine Reduzierung von 2,6 Millionen Tonnen an Treibhausgasemissionen bewirken würde. Nach den neusten Berechnungen kommt das Umweltamt jetzt sogar auf eine Einsparung von 6,7 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr (nationalgeographic: 25.01.23). Doch wie kann es sein, dass sich der Wert so drastisch erhöht? Woher kommt die Steigerung auf das gut Zweieinhalbfache durch ein und dieselbe Maßnahme? Dazu muss man die Berechnungsgrundlagen etwas genauer betrachten.
Klammheimlich kommt auch ein Tempolimit auf Landstraßen
Zu der Steigerung des Einsparpotentials hat das Umweltbundesamt in seiner neusten Studie die Verteilung des Verkehrs auf der Landstraße mit einkalkuliert. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen und ähnlichen Straßen auf 120 km/h würde nach bisherigen Betrachtungen eine Einsparung von 2,9 Prozent der CO₂-Emissionen aus dem Straßenverkehr ergeben. Die Studienautoren gehen jedoch davon aus, dass es zu einer „Verteilung ins untergeordnete Netz“ kommen würde, hauptsächlich auf Landstraßen. Doch das alleine bringt noch nicht die Ersparnis. Deshalb hat das Umweltamt in der neusten Berechnung auch noch ein Tempolimit auf Landstraßen von 80 km/h mit einkalkuliert.
Kritischer Blick auf das angekündigte CO₂-Einsparpotential – Einführung neuer Stellschrauben und Verbrauchswerte
Doch diese Maßnahme alleine reicht immer noch nicht aus, um das jetzt verkündigte Potenzial von 6,7 Tonnen pro Jahr zu erklären. Der Präsident des Umweltbundesamts, Dirk Messner, erklärt die höhere Einsparung damit, dass Faktoren wie die Wahl des Verkehrsmittels, z.B. eine zunehmende Nutzung der Bahn, sowie der tatsächliche Verbrauch der Fahrzeuge und Veränderungen in der Routenwahl und Verkehrsnachfrage ebenfalls berücksichtigt wurden. Es wurden also in der Berechnung neue Stellschrauben eingeführt, an denen man so lange willkürlich drehen kann, bis das gewünschte Ergebnis herauskommt. Insbesondere der tatsächliche Verbrauch der Fahrzeuge lässt aufhorchen. Offensichtlich ist man in der Vergangenheit von viel zu hohen Verbrauchswerten ausgegangen.
Tempolimit auf Autobahnen – eine gefährliche Fehleinschätzung?
Dass es bei einem Tempolimit auf der Autobahn zu einer Verlagerung des Verkehrs auf die Landstraße kommen kann, ist durchaus zu vermuten. Was das Bundesumweltamt aber nicht erwähnt ist, dass das bisherige Argument „weniger Verkehrstote“ dann nicht mehr zählt. Laut einer Studie verzeichnet die amtliche Statistik auf Autobahnen durchschnittlich 1,5 Verkehrstote pro Milliarde gefahrener Kilometer, während dieser Wert auf Landstraßen bei 4,0 liegt. Das bedeutet, dass das individuelle Risiko bei einer Teilverlagerung des Verkehrs auf die Landstraßen auf mehr als das 2,5-fache steigt.
Ebenso unerwähnt bleibt, dass die Verlagerung des Verkehrs auf die Landstraße ein erhöhtes Risiko mit sich bringt. Da diese Straßen nicht nur durch ländliche Gebiete, sondern auch durch bewohnte Ortschaften führen, wird es dort auch zu einer erhöhten Lärmbelästigung kommen, was ebenfalls unerwähnt bleibt.
Tempolimit auf Autobahnen: CO₂-Reduktion – ein Zahlen-Spiel, basierend auf veralteten Daten?
Unter diesen neuen Annahmen würde nach den neusten Berechnungen durch ein Tempolimit auf Autobahnen von 120 km/h eine CO₂-Reduktion von 4,2 Prozent statt bisher 2,9 Prozent erreicht werden. Wenn es um Prozente geht, sollte man aber auch immer in Betracht ziehen, was die Basis ist. Die Berechnungen basieren auf den Flottenverbrauchswerten aus dem Jahr 2018, also aus einem Zeitraum, als Elektrofahrzeuge noch selten auf deutschen Straßen zu sehen waren. Ein weiterer Griff in die statistische Trickkiste, um auf höhere Einsparpotentiale zu kommen.
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