Der Vorwurf wiegt schwer: Belgien betreibt Winddiebstahl und schwächt damit gezielt die Energieausbeute niederländischer Windkraftanlagen. Niederländische Experten sprechen von einem massiven Nachteil durch belgische Offshore-Windparks. Diese entziehen dem Wind bereits Energie, bevor er die niederländische Küste erreicht. Der Wetterforscher Remco Verzijlbergh warnt eindringlich vor den Folgen dieser Entwicklung. Winddiebstahl sei kein Einzelfall, sondern ein wachsendes Problem, das ganz Europa betreffe (focus: 28.05.25).
Windkraft im Schatten der Nachbarn
Seit dem Jahr 2013 produziert Belgien Windstrom in der Nordsee. Die Windparks stehen südwestlich der niederländischen Anlagen und blockieren dort die stärksten Windströme. Diese geografische Position führt dazu, dass der Wind hinter den belgischen Turbinen deutlich an Stärke verliert. Die niederländischen Windräder laufen dadurch mit geringerer Effizienz.

„Eine Windturbine ist dafür gemacht, dem Wind Energie zu entziehen. Misst man hinter einer Turbine, weht der Wind schwächer.“ Mit diesem Satz beschreibt Verzijlbergh die physikalische Grundlage des Problems. Winddiebstahl entsteht, wenn vorgelagerte Anlagen große Luftmassen bremsen. Dahinterliegende Windparks verlieren dadurch spürbar an Leistung – ein struktureller Nachteil, der sich mit jedem weiteren Windpark verschärft.
Winddiebstahl als internationale Herausforderung
Verzijlbergh fordert eine umfassende Neuplanung des Windkraftausbaus in der Nordsee. Nationale Einzelinteressen führten zwangsläufig zu Konflikten. Wenn jedes Land isoliert plant, nimmt der Winddiebstahl unweigerlich zu. Die Auswirkungen betreffen nicht nur einzelne Anlagen, sondern ganze Stromnetze und Energieziele.
In der aktuellen Situation zeigen sich die Schattenseiten fehlender Abstimmung. Während Belgien Windkraft strategisch positioniert, verlieren die Niederlande wertvolle Ressourcen. Dieser Wettbewerb um Windflächen gerät zunehmend außer Kontrolle. Eine koordinierte Nutzung der Nordsee bleibt bislang aus – trotz grenzüberschreitender Abhängigkeiten.
Technische Effekte mit politischen Folgen
Winddiebstahl ist ein physikalisch belegbares Phänomen, doch seine Auswirkungen reichen weit über Technikfragen hinaus. Die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Länder wird geschwächt, während andere ihre Erträge steigern. Dieser Verdrängungseffekt untergräbt das Vertrauen in eine gerechte Energiewende.
Die Nordsee entwickelt sich zum dicht besetzten Raum für Windkraft. Je mehr Anlagen entstehen, desto größer die gegenseitige Beeinflussung. Ohne gemeinsame Standards für Abstände, Ausrichtung und Strömungsanalysen gerät der Windkraftausbau ins Ungleichgewicht. Winddiebstahl wird damit zum Symbol einer ungeklärten Energiepolitik in Europa.
Konsequenzen für die Energiewende
Verzijlbergh sieht dringenden Handlungsbedarf. Windkraft könne ihr volles Potenzial nur entfalten, wenn internationale Planungen die Winddynamik berücksichtigen. Andernfalls drohen systematische Verluste – nicht nur für die Niederlande, sondern für alle Anrainerstaaten der Nordsee.
Der Vorwurf des Winddiebstahls rückt ein bisher wenig beachtetes Thema ins Zentrum der Diskussion. Er macht deutlich, wie sensibel das Gleichgewicht zwischen Nachbarländern im Zeitalter erneuerbarer Energien ist. Ein unkoordinierter Ausbau gefährdet nicht nur die Effizienz, sondern auch die Akzeptanz der Windkraft.
Zukünftig entscheidet nicht allein die Zahl der Windräder über den Erfolg der Energiewende, sondern die Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Der Streit um Winddiebstahl zeigt, dass die Energiewende mehr internationale Verantwortung braucht – und weniger nationale Schnellschüsse.
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