Stimmung im deutschen Handwerk auf Tiefpunkt – Zahl der Insolvenzen steigt um fast 19 Prozent

Die Lage im deutschen Handwerk verschlechtert sich rasant. Die Rezession belastet viele Betriebe schwer. Umsatzrückgänge und Personalabbau sind die Folgen. Ein besorgniserregender Trend zeigt sich auch im sogenannten „stillen Sterben“ von Handwerksunternehmen. Eine aktuelle Untersuchung von Creditreform macht die dramatische Situation deutlich: Nur noch rund die Hälfte der Betriebe beurteilt ihre Lage noch als gut oder sehr gut (welt: 14.03.25).


Umsatzverluste und Eigenkapitalprobleme

Die wirtschaftliche Schwäche spiegelt sich in sinkenden Einnahmen wider. Laut Creditreform rechnen die meisten Unternehmen mit Umsatzrückgängen. Gleichzeitig schrumpfen finanzielle Reserven. Mehr als ein Drittel der Betriebe weist eine Eigenkapitalquote von unter zehn Prozent auf – der schlechteste Wert seit mehr als einem Jahrzehnt.

Handwerk in Deutschland leidet unter der Rezession. Die Zahl der Insolvenzen stieg im Jahr 2024 um fast 19 Prozent
Handwerk in Deutschland leidet unter der Rezession. Die Zahl der Insolvenzen stieg im Jahr 2024 um fast 19 Prozent

Zwar hat die Europäische Zentralbank die Zinsen gesenkt, doch vielen Unternehmen fehlt weiterhin die nötige Ertragskraft. Die Abhängigkeit von Krediten nimmt zu. Banken vergeben jedoch nicht mehr an alle Betriebe Geld, was die finanzielle Lage weiter verschärft.

Mehr Insolvenzen, weniger Personal

Die Zahl der Insolvenzen steigt deutlich. Creditreform verzeichnet für 2024 insgesamt 4.350 Fälle. Dies ist ein Anstieg um fast 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders betroffen sind Betriebe im gewerblichen Bedarf und im Ausbaugewerbe. Einzig das Nahrungsmittelhandwerk bleibt von dieser Entwicklung halbwegs verschont.

Viele Handwerker, vor allem im Baubereich, verlieren Aufträge. Gleichzeitig steigen die Kosten für Kredite und Personal. Diese Doppelbelastung bringt viele Unternehmen an den Rand der Existenz. Dazu verschlechtert sich auch die Zahlungsmoral der Kunden, was die finanziellen Engpässe verstärkt.

Personaleinsparungen sind eine direkte Folge der Krise. Mehr Betriebe reduzieren ihren Mitarbeiterstamm, als dass sie neue Stellen schaffen. Viele frei gewordene Positionen bleiben unbesetzt, besonders bei altersbedingten Abgängen. Die unsichere Konjunktur bremst Neueinstellungen.

„Stilles Sterben“ und Fachkräftemangel

Neben den Insolvenzen belastet das „stille Sterben“ die Branche. Betriebe geben auf, obwohl sie wirtschaftlich gesund sind. Hohe Kosten, zunehmende Bürokratie sowie fehlende Nachfolger oder Fachkräfte zwingen viele zur Aufgabe.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) meldet zum Jahresende 125.500 offene Stellen. Der tatsächliche Bedarf liegt laut Verband jedoch deutlich höher. Viele Betriebe melden offene Stellen nicht mehr offiziell. Allein 19.000 Lehrstellen bleiben unbesetzt. Geeignete Bewerber fehlen.


Forderungen an Politik und Bildung

Eine Umfrage des Betriebssoftware-Anbieters Hero zeigt: Ein Viertel aller Handwerksbetriebe denkt an eine Schließung. Henning Hanebutt, Geschäftsführer von Deutschlands größtem Dachdeckerbetrieb, fordert daher mehr Unterstützung aus Politik und Bildung. „Während Schulen akademische Karrieren glorifizieren, bleibt das Handwerk im Hintergrund“, schreibt er in einem offenen Brief. Jugendlichen fehlen fundierte Informationen über handwerkliche Berufe.

Auf der Internationalen Handwerksmesse in München bot sich Gelegenheit zum Dialog mit der Politik. Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nahmen an der Eröffnung teil. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Unions-Fraktionschef Friedrich Merz wurden erwartet.

ZDH-Präsident Jörg Dittrich betont: „Jetzt zählt nur noch, wie wir Deutschland in die Zukunft führen.“ Die Politik müsse liefern und die richtigen Rahmenbedingungen schaffen.

Hoffnung auf Wachstum

Trotz der Krise gibt es positive Signale. Laut Creditreform erwartet fast ein Viertel der Betriebe steigende Umsätze. Der Anteil der Unternehmen, die investieren, ist auf knapp 50 Prozent gestiegen – der höchste Wert seit Jahren.

Wirtschaftsforscher Patrik-Ludwig Hantzsch sieht darin Chancen: „Obwohl eine rasche wirtschaftliche Erholung unwahrscheinlich ist, könnte das Handwerk zusammen mit der Binnennachfrage dazu beitragen, die Konjunktur zu stabilisieren.“

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Zuletzt aktualisiert am Januar 14, 2025 um 20:39 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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