Schwedens Sozialdemokraten befürworten jetzt Atomkraft

Schweden erlebt eine Wende in der Energiepolitik. Lange Zeit hatten sie die niedrigsten und stabilsten Strompreise in der EU. Doch seit fast zwei Jahren hat sich das geändert. Die Stromrechnungen sind um Hunderte von Euro pro Jahr gestiegen. Besonders im Süden Schwedens müssen Hausbesitzer mittlerweile oft mehr als 2000 Euro zusätzlich zahlen. Der durchschnittliche Strompreis liegt in Schweden bei 22 Cent pro Kilowattstunde. Das ist immer noch deutlich unter dem deutschen Preis, aber für die Schweden war dieser Anstieg neu. Jetzt ändern Schwedens Sozialdemokraten ihren Kurs und sagen plötzlich „Ja“ zur Atomkraft (Welt: 01.06.23).


Schwedens Sozialdemokraten ändern Kurs nach Wahlniederlage wegen steigender Preise und umstrittener Energiepolitik

Die Strompreise wurden zu einem Hauptthema im Wahlkampf des vergangenen Jahres. Der Preisanstieg trug zur Niederlage der Sozialdemokraten gegen die liberalkonservative Opposition bei. Viele Menschen machten die Energiepolitik der Sozialdemokraten für die steigenden Strompreise verantwortlich. Verantwortlich dafür waren insbesondere die Abschaltung von vier Atomreaktoren während ihrer Regierungszeit. Dadurch hat Schweden eine wichtige Quelle reduziert.

Schwedens Sozialdemokraten ändern Kurs nach Wahlniederlage wegen steigender Preise und umstrittener Energiepolitik
Schwedens Sozialdemokraten ändern Kurs nach Wahlniederlage wegen steigender Preise und umstrittener Energiepolitik
Bild: FinnishGovernment, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Die Sozialdemokraten hatten argumentiert, dass die Stilllegung der Reaktoren aufgrund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der Kernkraft am Markt erfolgte. Kritiker werfen ihnen jedoch vor, die Atomkraft bewusst vernachlässigt zu haben, um politische Bündnisse mit den Grünen einzugehen. Die Atomkraft ist in Schweden eine ähnliche Glaubensfrage wie in Deutschland.

Als die Strompreise stark anstiegen, wurde die Stilllegung der Reaktoren für die Parteivorsitzende Magdalena Andersson zu einem wachsenden politischen Problem. Nun, in der Opposition und nicht mehr auf die Unterstützung der Grünen angewiesen, vollzieht die Partei einen Kurswechsel.


Kurswechsel in Schweden – Sozialdemokraten öffnen Tür für neue Kernkraftwerke

In einem Interview mit der schwedischen Zeitung „Svenska Dagbladet“ öffnete der finanzpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Mikael Damberg, die Tür für den Bau neuer Kernkraftwerke. Er betonte, dass man neue Kernkraftreaktoren in Betrieb nehmen müsse und dass der Effekt der Kernenergie notwendig sei. Es sei schwer vorstellbar, dass man diese vollständig durch eine andere Energiequelle ersetzen könne, wenn die Reaktoren eines Tages zu alt werden.

Stefan Stern, ehemaliger Staatssekretär in mehreren sozialdemokratischen Regierungen, betont, dass viele Schweden die Kernkraft mit einer sicheren Energieversorgung, sicheren Arbeitsplätzen und dem Klimaschutz verbinden. Die Sozialdemokraten haben erkannt, dass sie mit den Wählern nicht im Einklang waren, und daher den Kurswechsel vollzogen.

Nach dem Reaktorunfall in Fukushima im Jahr 2011 wuchs der Widerstand gegen die Kernenergie in Schweden. Damals hat Schweden vier der zehn Reaktoren im Land abgeschaltet. Im Jahr 2017 sprachen sich 52 Prozent für den Ausstieg aus der Atomkraft aus. Aktuell unterstützen jedoch 70 Prozent der Schweden die Kernenergie, was einen Rekordwert darstellt.

Schweden zweifelt an deutscher Energiewende und Kernenergieausstieg

Schweden hat nie russisches Gas bezogen. Aber die Ukraine-Invasion führte aufgrund der Verbindung zum europäischen Strommarkt auch in Schweden zu steigenden Preisen. Insbesondere im südlichen Teil des Landes, der technisch eng mit Deutschland in Bezug auf die Stromversorgung verbunden ist. Deutschland ist in der schwedischen Debatte mittlerweile ein abschreckendes Beispiel. Die Tatsache, dass Deutschland funktionierende Reaktoren abschaltet und der Verbrauch von Stein- und Braunkohle in der Bundesrepublik deutlich gestiegen ist, sorgt bei vielen Schweden für Kopfschütteln.

Warnungen vor häufigen Stromausfällen werden laut, da die Probleme der deutschen Energiewende immer deutlicher werden. Dies erschwert den schwedischen Parteien, vorwiegend den Grünen, ihre Argumentation, dass der Ausstieg aus der Atomkraft schmerzlos durch erneuerbare Energien ersetzt werden kann. Ingenieure und Unternehmen warnen davor, dass in naher Zukunft regelmäßige regionale Stromausfälle, zur Realität werden könnten. Dieses Szenario wird mit Kalifornien oder Südafrika in Verbindung gebracht. Angesichts solcher Prognosen sind viele besorgt über die Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft.

Im Jahr 1980 stimmten die Schweden in einem Referendum für den Ausstieg aus der Kernenergie, sobald dies praktisch möglich wäre. Das Referendum wird heute als Möglichkeit gesehen, ein kontroverses Thema langfristig zu lösen, ohne dass die damals regierenden bürgerlichen Parteien und die oppositionellen Sozialdemokraten selbst Verantwortung übernehmen mussten. Seit den 1980er-Jahren wurden in Schweden daher keine neuen Reaktoren mehr gebaut.


Druck auf Sozialdemokraten: Schweden plant neuen Kurs in Atomenergie

Mit einer Mehrheit der liberalkonservativen Partei im Parlament plant Ministerpräsident Kristersson die Änderung der Gesetzgebung, um den Bau neuer Reaktoren in Schweden zu ermöglichen. Es gibt Anzeichen dafür, dass dieses Gesetz in Kraft treten wird. Dadurch erhöht sich der Druck auf die Sozialdemokraten, die eine lange Geschichte von Regierungsperioden haben und nicht als verantwortungslos wahrgenommen werden wollen.

Ein Kurswechsel der Sozialdemokraten würde die Wahrscheinlichkeit einer Ausweitung der Atomenergie in Schweden erhöhen. Mit einer breiten Mehrheit im Parlament, bei der nur noch die Linkspartei und die Grünen klar gegen Atomkraft wären, würden Investoren die langfristige Zukunft der Kernkraft in Schweden als berechenbarer betrachten. Da die Planung und der Bau von Kraftwerken lange dauern, gehen optimistische Schätzungen davon aus, dass neue Reaktoren frühestens Anfang 2030 in Betrieb genommen werden könnten.

Es ist wahrscheinlicher, dass es viel länger dauern wird. Dies bedeutet jedoch auch, dass die Entscheidung der Sozialdemokraten für die Atomenergie ein langfristiges politisches Risiko darstellt. Wenn die Grünen und die Linkspartei weiterhin gegen Atomkraft bleiben, würde dies die Bildung einer zukünftigen Linksallianz erschweren.

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Zuletzt aktualisiert am Dezember 20, 2023 um 0:32 . Wir weisen darauf hin, dass sich hier angezeigte Preise inzwischen geändert haben können. Alle Angaben ohne Gewähr.
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