Für den Reinhardswald stehen aktuell knapp drei Millionen Euro als Sicherheit bereit. Fachleute halten diese Summe jedoch für viel zu niedrig, da die tatsächlichen Rückbaukosten deutlich höher ausfallen könnten. Die gewaltigen Anlagen mit einer Höhe von bis zu 260 Metern besitzen Fundamente, die über 20 Meter tief in den Fels reichen. Nach Ablauf der 30-jährigen Laufzeit verlangt das Baugesetz den vollständigen Rückbau. Dazu gehört die Entfernung sämtlicher Betonpfähle, um den ursprünglichen Waldboden wiederherzustellen. Die Sicherheit wird über Bürgschaften abgesichert, die beim Landkreis Kassel hinterlegt sind.
Alte Berechnungsformel und die Rückbaukosten
Lange galt die Faustformel „1000 Euro pro Meter Nabenhöhe“. Für die 160 Meter hohen Vestas-Anlagen im Reinhardswald ergab das insgesamt 2,88 Millionen Euro. Doch diese Berechnung deckt die realistischen Rückbaukosten nicht ab. Das Aktionsbündnis Märchenland spricht von bis zu 100 Millionen Euro. Auch der Landesrechnungshof in Hessen geht von weitaus höheren Summen aus, als bislang kalkuliert.

Der Landkreis Kassel erkennt die Problematik an. „Wir wenden die alte Formel nicht mehr an“, erklärt Thomas Ackermann, Dezernent für Bauen, Umwelt und Klimaschutz. Für andere Projekte wie Rappenhagen oder Gahrenberg gilt längst eine neue Berechnung. Dennoch fehlen klare Vorgaben, denn „da gibt es noch rechtliche Unschärfen“. Auf einen Erlass des Wirtschaftsministeriums wartet man noch. Klar ist nur, dass auch im Reinhardswald die alte Berechnung keine Basis mehr bildet und die Sicherheit angepasst werden muss.
Millionenlast durch Rückbaukosten bei Insolvenz
Das Aktionsbündnis Märchenland warnt eindringlich: „Im Falle einer Betreiber-Insolvenz könnten der Kreis und seine 28 Kommunen auf Kosten von 100 Millionen Euro und mehr sitzen bleiben.“ Bündnis-Mitglied Jan-Eric Müller-Zitzke betont die Pflicht des Landkreises, ein solches Szenario zu verhindern. Fehlkalkulierte Rückbaukosten könnten langfristig die Finanzlage vieler Kommunen belasten.
Dadurch geraten auch andere Projekte unter Druck. Denn Unsicherheiten blockieren Investitionen in Bildung, Infrastruktur und soziale Aufgaben. So betrifft die Debatte nicht nur Kritiker der Windkraft, sondern auch Befürworter, die verlässliche Zahlen und eine solide Sicherheit fordern. Damit zeigt sich, wie stark die Zukunft der Energieversorgung in Hessen von klaren finanziellen Rahmenbedingungen abhängt.
Betreiber des Reinhardswald sehen Absicherung
Ralf Paschold, Initiator des Projekts, hält die Warnungen für überzogen. „Diese Rücklagen sind mit Bankbürgschaften abgesichert.“ Zudem sei ihm kein Fall bekannt, bei dem eine Kommune den Rückbau selbst finanzieren musste. Dennoch bleibt der Unterschied zwischen hinterlegten Summen und den von Experten erwarteten Rückbaukosten erheblich.
Fachleute weisen darauf hin, dass größere Anlagen automatisch höhere Aufwendungen verursachen. Neue Modelle zur Berechnung gelten deshalb als zwingend notwendig, um realistische Rückstellungen zu sichern. Zwischen Befürwortern und Kritikern des Reinhardswald herrscht weiterhin ein tiefer Graben: Während die einen auf Bürgschaften vertrauen, warnen die anderen vor einer Kostenfalle, die für Kommunen in Hessen existenzbedrohend sein könnte.
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