Rotorblätter von stillgelegten Windrädern: Zeitbomben durch giftige Rückstände

Rotorblätter von ausgedienten Windturbinen lassen sich schlecht oder gar nicht recyceln. Daher landen sie auf Mülldeponien. Prekär sind daran ihre enthaltenen giftigen Kunststoffe, die ins Grundwasser und damit auch in Fließgewässer gelangen. Inzwischen lassen sich die Gifte schon in Wild- und Meerestieren nachweisen. (tkp, 10.03.2025)


Keine harmlose Umweltbelastung

Die Rotorblätter wiegen bis zu 20 Tonnen und sind bis zu 80 Meter lang. Sie enthalten neben Metall auch verschiedene Kunststoffe, Balsaholz, Glasfaser und Harze. Diese Stoffe verrotten langsam, aber sicher, wodurch sie den Boden kontaminieren. Das Problem erfährt so gut wie kein mediales Interesse. Dafür sorgt auch die Windindustrie, die solche Rückstände eher stillschweigend und oft sogar illegal entsorgt. Dabei ist die Umweltbedrohung alles andere als harmlos. Vor allem von den Rändern der Turbinenblätter löst sich durch Leading-Edge-Erosion Epoxidharz mit einem Anteil von 40 % BPA (Bisphenol-A), das neurotoxisch wirkt und in vielen Produkten verboten ist. Die Ablösung erfolgt auch schon im Betrieb der Windturbinen. Eine einzige von ihnen kann jährlich über 60 kg Epoxid-Mikropartikel freisetzen.

Studien zeigen, dass durch Erosion an Rotorblättern große Mengen an schädlichen Epoxidharz-Partikeln freigesetzt werden
Studien zeigen, dass durch Erosion an Rotorblättern große Mengen an schädlichen Epoxidharz-Partikeln freigesetzt werden

Die Werte stammen von der University of Strathclyde in Glasgow. Der Studienleiter Asbjørn Solberg wies darauf hin, dass ein mäßiger Niederschlag (~500 mm monatlich) etwa 0,2 % der giftigen Masse eines Turbinenflügels freisetzt. Im salzigen Meerwasser erhöht sich dieser Wert um 40 %, was dann eine Rolle spielt, wenn die Stoffe über das Grundwasser in Fließgewässer und von dort in den Ozean gelangen. Allerdings widerspricht die Windindustrie den gut belegten Studienergebnissen. Sie schätzt einen um viele Tausend Prozent geringeren Abrieb. Ihre Zahlen sind kaum belegt, während das Team um Solberg sehr gründlich gearbeitet hat. Nach genauen Messungen der Wissenschaftler könnte eine kleinere Turbine während ihrer durchschnittlichen Lebensdauer von rund 20 Jahren bis zu 1,24 Tonnen Material in die Umwelt abgeben.

Wie erfolgt die Erosion von Windturbinenflügeln?

Die Erosion beginnt mit der ersten Laufzeitstunde einer Windkraftanlage und steigert sich durch Materialermüdung im Laufe der Jahre. Es gibt technische Ansätze der Materialstabilisierung, doch sie sind teuer und werden in der Praxis kaum durchgeführt. Landet die ausrangierte Turbine schließlich auf dem Müll, ist die Verrottung so weit fortgeschritten, dass die Erosion ihren höchsten Grad erreicht. Den Abrieb im Betrieb fördern die hohen Geschwindigkeiten der Rotorblätter. An ihren Spitzen laufen sie bis zu 300 km/h schnell. Das dabei freigesetzte BPA verseucht vor allem das Wasser, für das strenge Grenzwerte gelten: Die WHO empfiehlt eine BPA-Belastung im Trinkwasser von maximal 0,1 µg/l. Dieser Wert kann in der Nähe von Turbinenparks oder Müllhalden, auf denen ausrangierte Rotorblätter lagern, deutlich überschritten werden.

Ohne strenge Kontrollen drohen gesundheitliche Gefahren auch für die Bevölkerung, alternativ muss das Wasser teuer aufbereitet werden. Dabei erodieren einzelne Windturbinen nicht einheitlich. Eine große Rolle spielt das Wetter am Standort. Auch ohne hohe Drehgeschwindigkeiten tragen Hagel, Staub, Salzpartikel und Regen beim sogenannten „Wasserschlag-Druckeffekt“ zur Erosion bei. In Regionen mit viel Eis und Hagel kann sich der Abrieb vervielfachen. In Großbritannien und Irland wurde hierzu eine Studie durchgeführt, die den Materialverlust abhängig vom Standort und dem dortigen Klima untersuchte. Auch aus Kanada, wo Hagelstürme häufig vorkommen, sind entsprechende Studien bekannt. Diese belegten unter anderem den Austritt von giftigem Harz aus einem Rotorblatt durch Hagel.

Größere Turbinen mit exponentiell steigender Gefahrenlage

Je größer ein Rotorblatt ist, desto mehr Abrieb ist zu erwarten. Gefährlich ist laut Asbjørn Solberg, dass seine Menge mit zunehmender Größe exponentiell wächst. Die Forscher warnen: Zunehmend errichten die Betreiber Turbinen an Land, die früher nur für den Offshore-Bereich gebaut wurden. In Kanada gibt es schon Riesen mit 207 m Höhe, in Europa können es bis zu 175 m sein. Die einschlägigen Gefahren durch das Freisetzen von Giften sind aber für solche Größenordnungen zu wenig erforscht. Das bedeutet: Die Windindustrie betritt Neuland und experimentiert dabei mit der Umwelt und sogar mit der Gesundheit von Menschen.


Was weiß die Industrie wirklich über die Gefahren?

Die Hersteller geben eine Standardgarantie von fünf Jahren auf den Verschleiß der Rotorblätter. Es muss ihnen aber bekannt sein, dass das nicht genügt. So musste Siemens Gamesa schon 2018 eine Notfallreparatur an 140 Turbinen im 630-MW-Windpark London Array und an 87 Turbinen im 400-MW-Windpark Anholt (Dänemark) durchführen. Bei Kontrollen war eine unerwartet starke Erosion an den Vorderkanten der Rotorblätter festgestellt worden, die weit vor Ablauf der Garantiezeit eingesetzt hatte. Das bedeutet: Die Gefahrenlage ist bekannt. Nun wird es Zeit, dass die Politik auf das Problem reagiert.

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