Das Realeinkommen der Deutschen verringert sich, weil wachsende Teile der Wirtschaftsleistung dauerhaft für staatliche und gesellschaftliche Pflichtausgaben reserviert werden. Klaus Regling, ehemaliger Leiter des Euro-Rettungsfonds, beschreibt eine Situation, in der nominelles Wachstum kaum noch beim privaten Konsum ankommt. Eine anhaltende Wirtschaftskrise, tiefgreifende Eingriffe durch die Rentenreform, steigende Lasten aus der Staatsverschuldung und strukturelle Änderungen bei der Arbeitszeit verändern die Einkommensverwendung spürbar und dauerhaft, so dass der Wohlstand der Deutsche zwangsläufig abnehmen wird (handelsblatt: 19.12.25).
Realeinkommen als Maßstab realer Kaufmöglichkeiten
Für Regling ist das Realeinkommen der präziseste Indikator für wirtschaftliche Realität, weil es zeigt, welcher Anteil des Einkommens nach Steuern, Abgaben und Preissteigerungen tatsächlich verfügbar bleibt. Wenn steigende Verteidigungsausgaben, höhere Sozialtransfers und langfristige Umweltkosten größere Teile des Bruttoinlandsprodukts binden, sinkt der Anteil, der für privaten Konsum genutzt werden kann. Diese Entwicklung reduziert nicht die nominalen Löhne, sondern den real einsetzbaren Betrag nach allen Verpflichtungen.
Der frühere Krisenmanager Klaus Regling spricht deshalb von einem historischen Einschnitt, weil erstmals absehbar wird, dass eine Generation weniger reale Konsummöglichkeiten hat als die vorherige. Das Realeinkommen beschreibt hier keinen subjektiven Verzicht, sondern objektiv geringere finanzielle Dispositionsfreiheit.
Wirtschaftskrise mindert Wertschöpfung pro Kopf
Die aktuelle Wirtschaftskrise wirkt nicht kurzfristig, sondern strukturell. Deutschland verliert Marktanteile, weil China selbst exportiert und US-Handelsbarrieren deutsche Produkte verteuern. Gleichzeitig mindern jahrelang unterlassene Investitionen die Produktivität. Diese Kombination senkt die Wertschöpfung pro Arbeitsstunde, was sich unmittelbar auf Löhne und damit auf das Realeinkommen auswirkt. Die Wirtschaftskrise begrenzt damit die Fähigkeit der Unternehmen, steigende Kosten auszugleichen oder höhere Einkommen zu zahlen.

Auch die Staatsverschuldung gewinnt an Relevanz, weil neue Ausgaben nicht mehr aus zusätzlichem Wachstum finanziert werden können. Regling hält Schulden für tragfähig, weist jedoch darauf hin, dass sie künftige Einnahmen binden und damit den finanzpolitischen Spielraum einengen.
Rentenreform verschiebt Lasten auf Erwerbstätige
Die Rentenreform greift tief in die Einkommensstruktur ein, weil das bestehende System auf eine wachsende Zahl von Beitragszahlern ausgelegt war. Sinkende Erwerbstätigenzahlen erhöhen die Abgabenlast pro Kopf. Das Realeinkommen der Beschäftigten verringert sich dadurch nicht durch niedrigere Bruttolöhne, sondern durch steigende Pflichtbeiträge und Transfers.
Regling plädiert deshalb für eine Abkehr von der Kopplung der Renten an die Lohnentwicklung und für eine Orientierung an der Inflation. Dadurch ließe sich verhindern, dass Produktivitätsgewinne automatisch in steigende Rentenausgaben umgeleitet werden. Ohne diese Anpassung verstärkt die Rentenreform die Wirtschaftskrise, weil steigende Lohnnebenkosten Investitionen bremsen.
Arbeitszeit bestimmt gesamtwirtschaftliche Leistungsfähigkeit
Die Arbeitszeit beeinflusst das Realeinkommen indirekt, aber entscheidend. Deutschland weist im internationalen Vergleich ein geringeres jährliches Arbeitsvolumen pro Erwerbstätigem auf. Regling fordert keine generelle Ausweitung der Wochenstunden, sondern mehr Vollzeitbeschäftigung und einen späteren Renteneintritt. Dadurch steigt die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung, ohne die Produktivität pro Stunde zu senken.
Wenn das Arbeitsangebot weiter schrumpft, verteilen sich steigende Sozialausgaben auf weniger Erwerbstätige. In diesem Fall reduziert sich das Realeinkommen nicht wegen Arbeitslosigkeit, sondern wegen höherer Abgaben pro Beschäftigtem. Eine effizientere Nutzung der Arbeitszeit kann diesen Effekt begrenzen.
Staatsverschuldung verändert Einkommensverteilung
Bei der Staatsverschuldung geht es Regling weniger um Quoten als um Verteilungswirkungen. Kreditfinanzierte Investitionen können künftiges Realeinkommen absichern, wenn sie Produktivität erhöhen. Werden jedoch laufende Ausgaben ausgeweitet, steigt der Druck auf Steuern und Sozialabgaben. Regling hält deshalb höhere Vermögens- und Erbschaftssteuern für ökonomisch begründbar, weil Vermögensgewinne der letzten Jahrzehnte kaum leistungsbasiert entstanden sind.
Ohne eine solche Umverteilung wächst die Belastung der Arbeitseinkommen weiter. Das verschärft die Konflikte um Rentenreform und Arbeitszeit zusätzlich und reduziert die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten.
Reformen müssen gleichzeitig wirken
Regling fordert einen umfassenden politischen Kompromiss, weil Einzelmaßnahmen wirkungslos bleiben. Nur wenn Wirtschaftskrise, Rentenreform, Staatsverschuldung und Arbeitszeit gemeinsam neu justiert werden, lässt sich das Realeinkommen stabilisieren. Andernfalls verliert die private Kaufkraft dauerhaft und der Wohlstand der Bürger sinkt nachhaltig.
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