Ein großflächiger Stromausfall in Spanien und die rasant wachsende Zahl energiehungriger Rechenzentren setzen neue Impulse für die Nuklearenergie. Millionen Menschen blieben ohne Strom – der Vorfall traf ein Land, das rund 70 Prozent seines Bedarfs aus erneuerbaren Quellen deckte. Die politische Debatte nahm deshalb sofort Fahrt auf (theguardian: 01.06.25).
Nuklearenergie rückt wieder ins Zentrum der Energiepolitik
Spaniens Plan, alle sieben verbliebenen Atomkraftwerke bis 2035 abzuschalten, steht plötzlich mittlerweile zur Disposition. Kritiker bezweifeln, ob allein Wind und Sonne ein stabiles Stromnetz sichern können. Premierminister Pedro Sánchez hielt im Parlament dagegen: „Es gab kein Problem durch einen Überschuss an erneuerbarer Energie. Wer das behauptet, lügt oder zeigt seine Unwissenheit.“ Trotzdem erhält die Nuklearenergie neue Aufmerksamkeit – auch durch internationale Stimmen.

Ignacio Galán, Chef des Energiekonzerns Iberdrola, warnte noch kurz vor dem Blackout vor steigenden Strompreisen und Instabilität, sollten die Reaktoren stillgelegt werden. Er zog dabei Parallelen zu Deutschland, das nach Fukushima die Atomkraft beendete – mit steigenden Energiepreisen und wachsender Abhängigkeit vom Ausland.
Internationale Stimmen stärken die Position der Nuklearenergie
Sama Bilbao y León, Generaldirektorin der World Nuclear Association, sprach in Madrid von Risiken für Spaniens Wirtschaft ohne Atomkraft. Fortschritt brauche „saubere, verfügbare und bezahlbare Energie – jeden Tag im Jahr“. Diese Einschätzung findet global Widerhall.
In Deutschland wendet sich die Politik langsam von der Anti-Atomlinie ab. Bundeskanzler Friedrich Merz kritisierte das Abschalten der letzten Reaktoren mitten in der Energiekrise. Statt neue Großkraftwerke zu bauen, setzt er auf moderne Lösungen wie kleine modulare Reaktoren (SMRs) und langfristig auf Kernfusion.
Auch die Schweiz stellt ihr Verbot neuer Atomprojekte infrage. Die Regierung plant, SMRs zu ermöglichen und so die Versorgungssicherheit langfristig zu erhöhen.
Weltweiter Trend zur Rückkehr der Nuklearenergie
Asien folgt dem gleichen Trend. In Taiwan steht ein Referendum über die Wiederinbetriebnahme eines Reaktors bevor. Der steigende Stromverbrauch der Chipindustrie und geopolitische Risiken sorgen für neue Prioritäten.
Die USA machen ebenfalls Tempo. In Pennsylvania soll das Kraftwerk Three Mile Island nach fünf Jahren Stillstand Microsofts Rechenzentren mit Strom versorgen. Große Tech-Firmen wie Amazon und Meta setzen auf zuverlässige, CO₂-arme Quellen – Nuklearenergie rückt damit ins Zentrum neuer Geschäftsmodelle.
Technologischer Fortschritt macht Nuklearenergie attraktiver
Ex-Präsident Donald Trump präsentierte jüngst einen Plan für zehn neue Reaktoren bis 2030. Bis 2050 soll sich die nukleare Kapazität vervierfachen. Finanzhäuser wie Goldman Sachs sehen darin eine strategische Antwort auf den Energiehunger der KI-Branche. SMRs gelten als zentrale Lösung: Sie sind skalierbar, schneller baubar und versprechen niedrigere Kosten.
Google unterzeichnete 2023 als erstes Unternehmen einen Vertrag für SMR-Strom mit Kairos Power. Auch Kanada treibt den Bau des ersten Mini-Reaktors im Westen voran, mit geplanter Inbetriebnahme bis 2029. Südkorea, Russland und China verfolgen ähnliche Projekte.
Großbritannien startet nukleare Großoffensive
Großbritannien plant eine massive Ausweitung der Nuklearenergie. Keir Starmer kündigte den Bau von SMRs an, um KI-Rechenzentren zu versorgen. Erste Anlagen könnten ab 2032 ans Netz gehen.
Doch es gibt auch kritische Stimmen. Greenpeace-Wissenschaftler Dr. Doug Parr wirft der Regierung vor, Propaganda der Atomlobby zu übernehmen. Bisher sei kein SMR realisiert worden. Das ungelöste Atommüllproblem bleibe zudem ausgeblendet.
Trotz dieser Kritik wächst das politische und wirtschaftliche Interesse an Nuklearenergie. Neue Technologien, geopolitische Unsicherheiten und steigende Strombedarfe schaffen die Voraussetzungen für eine globale Rückkehr der Atomkraft. Die nächsten zehn Jahre dürften für die Branche entscheidend sein.
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