Neukundenverträge werden ausgesetzt – Hohe Preise erreichen auch die Energiebranche

Die steigenden Preise in Europa haben nun auch die Energiebranche hart getroffen. Für Unternehmen ist vorerst keine Besserung in Sichtweite. Aufgrund der unsicheren Preisentwicklung setzen viele Stromlieferanten Neukundenverträge aus.


Vorerst werden einige deutsche Gas- und Stromversorger keine Neukunden mehr aufnehmen. So weist die E.ON Tochter Eprimo auf ihrer Startseite darauf hin, keine aktuellen Verträge für Neukunden im Angebot zu haben. Auch auf Startseiten anderer Energiekonzerne erwartet Interessenten nicht anderes. So warnen Green Planet Energy oder die Elektrizitätswerke Schönau mit roten beziehungsweise gelben Warnsymbolen und Phrasen vor einem vollständigen Aufnahmestopp von Neukunden. Aktuell bietet auch der Vergleichsdienstleister Check24 keine Angebote von einem der drei Energiekonzerne an.

Neukundenverträge werden ausgesetzt - Hohe Preise erreichen auch die Energiebranche. Weitere Preisentwicklung am Strommarkt nicht absehbar
Neukundenverträge werden ausgesetzt – Hohe Preise erreichen auch die Energiebranche. Weitere Preisentwicklung am Strommarkt nicht absehbar

Viele Stromanbieter bieten keine Neukundenverträge mehr an

Dass Unternehmen freiwillig auf Neukundenverträge verzichten, sei zwar bemerkenswert, in Anbetracht der hohen Energiepreise der letzten Wochen aber durchaus folgerichtig, so der Geschäftsführer von Check24, Steffen Suttner. Das Aussetzen von Neukundenverträgen, begründet Suttner mit den unterschiedlichen Einkaufsstrategien der Energiekonzerne. Die Energiepreise am Markt und an der Börse erreichen Rekordwerte, sodass Anbieter gezwungen sind neue Tarifmodelle zu entwickeln. Hohe Preise erreichen die Energiebranche und folglich auch die Verbraucher.

Eprimo berichtet auf seiner Hauptseite offen darüber, dass gestiegene Beschaffungskosten eine Neuberechnung der Preisstellung erfordern und die Anpassung des Tarif-Angebots zur Folge hat. Dass die Neukundenverträge vorerst ausgesetzt werden, ändert für Bestandskunden nichts, sodass nur potenzielle Neukunden betroffen sind. Da EWS Schönau die Preise für Bestandskunden bereits im Herbst 2021 angehoben hat und eine weitere Erhöhung nicht zumutbar wäre, sollen die ausgesetzten Neukundenverträge bestehende Tarife entlasten. Green Planet Energy rechtfertigt sein Vorgehen in ähnlicher Weise.


Energieexperte zeigt vollstes Verständnis für die Herangehensweise der Energiebranche

Udo Sieverding, Experte für Energie bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, zeigt Verständnis. Die hohen Preise können nicht umgangen werden, sodass die Energiebranche gezwungenermaßen neue Tarifanpassungen vornehmen muss. Dass manche Energiekonzerne die aktuell turbulente Situation lieber abwarten und Neukundenverträge aussetzen, empfindet Sieverding zwar als bedauerlich, in Anbetracht der unternehmerischen Freiheiten der Unternehmen aber als legitim. Sieverding fügt hinzu, dass neben großen Energiekonzernen auch vereinzelt Stadtwerke solche Maßnahmen getroffen hätten.

Höchstwahrscheinlich wird sich das neue Preisniveau etablieren

Bioenergieversorger sind von der neuen Situation besonders hart getroffen. Auch hier werden Neukundenverträge in großen Mengen ausgesetzt, da Biomethan nicht nur von Energieversorgern gekauft wird. Kraftstoffhändlern wollen die von der EU vorgeschriebenen Treibhausgasquoten möglichst günstig erfüllen und kaufen infolgedessen große Teile des Marktes leer. Das Resultat sind Engpässe, die ebenjene potenzielle Neukundenverträge verhindern.

In den letzten Wochen und Monaten blieben selbst die großen Energieversorger nicht verschont. Im Oktober war der Gasversorger EnBW auf den Seiten von Vergleichsportalen nicht auffindbar, auch der Essener Konzern E.ON setzte Neukundenverträge aus. Im Dezember waren erstmals auch Bestandskunden von Grünwelt Energie und Gas.de betroffen. Die Marken beendeten rückwirkend Erdgaslieferverträge und gaben einen Lieferstopp bekannt. Auch Stromio beendete aufgrund der Engpässe die Kooperation mit dem Kunden der Grünwelt Energie und konnte deshalb Kunden beider Unternehmen nicht mehr beliefern.


Die Bundesnetzagentur meldet, dass 38 Anbieter bis Ende des vergangenen Jahres angezeigt haben, die Stromlieferung stoppen zu wollen. Anschließend stiegen zahlreiche Kunden auf die teurere Grundversorgung um, obwohl das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz deutlich auf das Recht, die Preiserhöhung ablehnen zu können, hingewiesen hat.

Kunden haben somit das Recht auf gleichbleibende Vertragskonditionen, auch wenn der Anbieter den Vertrag kündigt. Muss der Kunde anschließend einen neuen teureren Vertrag abschließen, so muss der kündigende Anbieter eine Schadenersatzleistung zahlen. Einen entsprechenden Antrag können die Kunden an den ehemaligen Anbieter stellen.

Die turbulenten Zeiten sind noch nicht vorbei

Sieverding vermutet, dass sich die Situation bessern wird und die Strompreise im Frühjahr wieder sinken, die Zukunft der Gaspreise sieht dagegen etwas unsicherer aus.
Grundsätzlich ist dennoch von einem allgemein höheren Tarifniveau auszugehen. Laut Sieverding wird die aktuelle Marktkonsolidierung die Wettbewerbslandschaft aufrütteln und marktorientierten Stellungen einzelner Versorger langfristig durchbrechen.

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