In keinem anderen europäischen Land wächst die Solarenergie so rasant wie in Griechenland. Dieser Boom bringt jedoch erhebliche Herausforderungen mit sich. Zu viel grüner Strom kann die Netze stark belasten. Deshalb plant die griechische Regierung einen radikalen Schritt. Das Umwelt- und Energieministerium erwägt, den günstigeren Nachtstromtarif künftig auch tagsüber anzubieten. Dies soll helfen, das Gleichgewicht zwischen Stromangebot und -nachfrage wiederherzustellen. Besonders mittags erzeugen die vielen Photovoltaik-Anlagen übermäßig viel Strom, wie die Tageszeitung „Kathimerini“ berichtet (ekathimerini: 15.05.24).
Solarstrom-Überfluss in Griechenland: Netzabschaltungen und neue Tarifpläne als Lösung
Aufgrund der hohen Effizienz und Anzahl von Photovoltaik-Anlagen kommt es häufig vor, dass diese tagsüber zeitweise vom Netz genommen werden müssen. Das soll Stromausfälle verhindern und die Versorgung stabil halten. Ein anschauliches Beispiel dafür lieferte das griechisch-orthodoxe Osterfest. Viele Athener verließen die Hauptstadt, um das Fest auf Inseln und in ihren Herkunftsdörfern zu feiern. Dies führte zu einem „Alarm bei den Elektrizitätswerken“, wie das Nachrichtenportal in.gr schrieb. Der überschüssige Strom konnte nicht vollständig verbraucht, exportiert oder gespeichert werden. Notwendige Speicherprojekte sind noch nicht fertiggestellt.
Das Ministerium für Umwelt und Energie erwägt verschiedene Szenarien, um das Problem der Abschaltung grüner Energie und der Entwicklung von Null- und Negativpreisen strukturell zu lösen. Da die Nachfrage nicht mit der wachsenden Durchdringung erneuerbarer Energiequellen Schritt hält, soll der Nachtstromtarif auf die Mittagsstunden verschoben werden. Immer häufiger muss der Unabhängige Übertragungsnetzbetreiber (ADMIE) während der Mittagsstunden, wenn die Produktion aus erneuerbaren Energien ihren Höhepunkt erreicht, erneuerbare Energieeinheiten vom Netz nehmen. Dies ist notwendig, um die Produktion mit der Nachfrage auszugleichen und Stromausfälle zu verhindern.
Griechenlands Solarboom: Warum der Netzausbau jetzt entscheidend ist
Laut dem Verband europäischer Übertragungsnetzbetreiber (Entso-E) sind in Griechenland mittlerweile 6,7 Gigawatt Solarenergie installiert. Das ist doppelt so viel wie noch 2020. Hinzu kommen fünf Gigawatt Windenergie. Weitere 16 Gigawatt erneuerbare Energie befinden sich derzeit im Bau, berichtet in.gr. Diese rasante Entwicklung verdeutlicht, wie schnell sich Griechenlands Energieinfrastruktur wandelt. Allerdings macht der weitere Ausbau der Solarenergie nur dann Sinn, wenn auch der Netzausbau entsprechend erfolgt. Ohne ein starkes und stabiles Netz ist es nicht möglich die erneuerbaren Energien voll zu nutzten. Die Herausforderungen sind daher ebenso groß. Neben der Anpassung der Stromtarife muss auch in Speicherkapazitäten und den Ausbau des Netzes investiert werden, um den überschüssigen Strom effektiv zu nutzen.
Günstiger Strom tagsüber: Neue Tarife und smarte Geräte für Griechenland
Eine Verschiebung der Nachfrage während der Spitzenzeiten soll den Bedarf an Abschaltungen grüner Energie reduzieren. Die politische Führung des Ministeriums erwägt sogar, dies mit einem Subventionsprogramm für den Kauf von „intelligenten“ Haushaltsgeräten zu kombinieren, damit Verbraucher energieintensive Geräte per Fernbedienung einschalten können. Da die neuen Nachtstromtarifzeiten voraussichtlich auf die Zeit zwischen 11:00 und 16:00 Uhr fallen, also während der Arbeitszeit, könnten solche Geräte den günstigeren Tarif besser nutzen.
Die Maßnahmen werden in Zusammenarbeit mit der Regulierungsbehörde (RAAEY) und dem Netzbetreiber DEDDIE finalisiert und als gesetzliche Regelung umgesetzt.
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