Im Juli steht für Millionen Versicherte die nächste Beitragserhöhung bevor. Sechs Krankenkassen passen ihre Zusatzbeiträge erneut nach oben an. Schon zum Jahresbeginn zogen viele Anbieter die Beiträge spürbar an – doch die Finanzlage bleibt kritisch. Hintergrund sind Milliardenverluste im System und ausgereizte Rücklagen. Der Beitrag steigt, das Vertrauen sinkt (t-online: 02.06.24).
Beitragserhöhung trotz voller Kassen?
Zum Jahreswechsel kletterte der durchschnittliche Zusatzbeitrag auf 2,9 Prozent – deutlich über dem Orientierungswert von 2,5 Prozent. Doch damit ist die Beitragserhöhung nicht abgeschlossen. Acht Kassen hoben ihre Sätze bereits bis Mai an, weitere folgen nun im Juli. Die gesetzliche Krankenversicherung zählt rund 74 Millionen Versicherte, von denen viele erneut zur Kasse gebeten werden.

Hauptgründe liegen in steigenden Kosten für Behandlungen und Medikamente. Gleichzeitig fehlen Rücklagen. Ende 2024 betrugen die Finanzreserven nur noch sieben Prozent einer Monatsausgabe. Vorgeschrieben sind jedoch zwanzig Prozent. Allein 2024 summierte sich das Defizit der 94 gesetzlichen Kassen auf 6,2 Milliarden Euro.
Verwaltungsapparat schluckt Milliarden
Nicht nur medizinische Leistungen belasten die Budgets. Auch der Verwaltungsapparat bleibt ein teures Problem. 2023 flossen 12,6 Milliarden Euro in interne Strukturen – das entspricht 4,3 Prozent aller Ausgaben. Fast jeder zwanzigste Beitrags-Euro versickert so im Apparat. Besonders in der Kritik stehen große Kassen wie TK, DAK oder Barmer.
Trotz dieser Zahlen erwartet der Spitzenverband in den kommenden Monaten leichte Überschüsse. Diese entstehen allerdings nicht durch Reformen, sondern durch die jüngste Beitragserhöhung. „Das ist nicht, weil es den Kassen so gut geht“, so Verbandschefin Doris Pfeiffer. Vielmehr werde der Abbau einst hoher Rücklagen notdürftig kompensiert.
Bund unter Druck – neue Zuschüsse gefordert
Gesundheitsministerin Nina Warken setzt darauf, künftige Beitragserhöhungen zu vermeiden. Diskutiert wird ein höherer Bundeszuschuss, zusätzlich zu den bisherigen 14,5 Milliarden Euro. Die Kassen fordern darüber hinaus die vollständige Kostenübernahme für Bürgergeldempfänger – das würde den Bundeshaushalt jährlich um zehn Milliarden Euro entlasten.
Auch die Pflegeversicherung gerät zunehmend in Schieflage. Für 2025 steht bereits ein weiteres Defizit von 166 Millionen Euro im Raum. Schon im ersten Quartal fehlten 90 Millionen. Der finanzielle Druck wächst, ebenso der politische Handlungsbedarf.
Reformkommissionen als letzte Option
„Es wird immer enger“, fasst Doris Pfeiffer die Lage zusammen. Ohne frische Mittel drohen neuen Pflegekassen bald Liquiditätsengpässe. Der Kassenverband fordert eine finanzielle Atempause. Dazu zählt die Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige durch den Bund. Außerdem soll der Staat die milliardenschweren Corona-Kosten erstatten.
Die Bundesregierung plant nun die Einrichtung mehrerer Kommissionen. Sie sollen Reformvorschläge für ein stabiles System entwickeln. Ohne tiefgreifende Veränderungen bleiben Beitragserhöhungen jedoch ein Dauerzustand – mit gravierenden Folgen für Versicherte und Betriebe.
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