Krankenkassen-Beiträge vor Rekordanstieg: Der Staat belastet Versicherte bis an ihre Grenzen

Die gesetzlichen Krankenkassen geraten finanziell immer stärker unter Druck. Laut Jens Baas, dem Chef der Techniker Krankenkasse (TK), könnten die Beiträge in den kommenden fünf Jahren um 20 Prozent steigen, falls die Politik nicht rechtzeitig gegensteuert. Baas fordert klare Maßnahmen von Bund und Ländern, um diese Entwicklung zu verhindern (merkur: 13.11.24).


Dringende Strukturreformen notwendig

Baas drängt auf eine konsequente Umsetzung gesetzlicher Finanzverpflichtungen. Bund und Länder müssten Investitionen und andere finanzielle Lasten übernehmen, damit Versicherte entlastet werden. „Es ist eine Schande, was da passiert“, kritisiert Baas scharf. Der Staat greife Versicherten in die Tasche, obwohl er selbst die Mittel bereitstellen müsste. Baas betont auch die Notwendigkeit von Reformen in Krankenhäusern sowie im Rettungswesen und fordert eine stärkere Digitalisierung.

Die Beträge zu den gesetzlichen Krankenkassen könnten um 20 Prozent steigen. TK-Chef:  „Es ist eine Schande, was da passiert“
Die Beträge zu den gesetzlichen Krankenkassen könnten um 20 Prozent steigen. TK-Chef: „Es ist eine Schande, was da passiert“

Die Finanzierungslast der Pflege und Renten für pflegende Angehörige müsse ebenfalls neu verteilt werden. Momentan tragen die Beitragszahler eine Last, die ihnen eigentlich nicht zustehe. Baas‘ Forderungen zielen darauf ab, die langfristige Finanzierbarkeit der GKV zu sichern, ohne Versicherte über Gebühr zu belasten.

Debatte über eine Systemvereinigung

Die Diskussion um die Zusammenlegung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ist nicht neu. Baas hält eine Kombination der besten Elemente beider Systeme für sinnvoll. Die GKV biete den Vorteil der fehlenden Gewinnorientierung und den Verzicht auf Risikoselektion, während die PKV durch geschützte Kapitalrücklagen und Vertragsfreiheit punkten könne. Eine „Bürgerversicherung“ lehnt Baas ab. Sie würde seiner Meinung nach die Schwächen der GKV auf die PKV übertragen.

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2020 hatte bereits angedeutet, dass eine einheitliche Versicherung positive finanzielle Effekte haben könnte. Würden alle Bürger gesetzlich versichert, entstünde ein Plus von rund neun Milliarden Euro pro Jahr. Gegner dieser Idee, wie die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, sehen dagegen massive Verschlechterungen im Gesundheitssystem und bezweifeln die postulierten Einsparungen.

PKV und GKV im Vergleich

Der PKV-Verband weist darauf hin, dass eine Systemzusammenlegung erhebliche Nachteile hätte. So würde der Wechsel Privatversicherter in die GKV zu einem erheblichen Einkommensverlust für Arztpraxen führen. Durchschnittlich würde jede Praxis etwa 63.000 Euro im Jahr verlieren. Auch die medizinische Versorgungsqualität wäre laut PKV-Verband bedroht. Zudem rechnen Experten damit, dass der GKV-Beitragssatz um etwa 0,5 Prozentpunkte steigen könnte, sollte es zur Integration kommen.

Befürworter des dualen Systems heben hervor, dass die aktuelle Wettbewerbssituation Vorteile bietet. Arbeitgeber profitieren von kürzeren Wartezeiten und besserer Versorgung für ihre Mitarbeiter. Zudem tragen Privatversicherte einen wichtigen Teil zur Finanzierung der medizinischen Infrastruktur bei. Der Wegfall dieser Beiträge könnte erhebliche Folgen für das Gesundheitssystem haben.


Belastungsgrenzen für Versicherte erreicht

Ein Blick auf die aktuellen Zahlen verdeutlicht die Dramatik. Der Schätzerkreis, ein Expertengremium bestehend aus Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums und der GKV, hatte vor kurzem eine düstere Prognose abgegeben. Aufgrund eines erwarteten Defizits in Milliardenhöhe erhöht sich der durchschnittliche Zusatzbeitrag der GKV um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent. Diese Steigerung sei historisch und ein Warnsignal, so Maik Wagner von der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS).

Der allgemeine Beitragssatz bleibt zwar bei 14,6 Prozent, doch der Zusatzbeitrag belastet die Versicherten zusätzlich. Kassen können diesen individuell festlegen, auch wenn die Bundesregierung eine unverbindliche Empfehlung ausspricht. Für viele Versicherte bedeutet das: Die finanzielle Schmerzgrenze ist erreicht.

Historische Dimensionen

„Ein Anstieg um 0,8 Prozentpunkte ist mehr als nur ein Warnsignal“, kommentiert Wagner. Die gesetzliche Krankenversicherung steht vor einer Herausforderung von historischem Ausmaß. Ohne tiefgreifende Reformen drohen weitere Belastungen, die das Gesundheitssystem in eine noch tiefere Krise stürzen könnten.

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