Die Mobilitätswende droht ins Stocken zu geraten. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) fordert in einem neuen Strategiepapier eine deutliche Kurskorrektur. Konkret verlangt die Industrie, das von der EU geplante Aus für neue Verbrennungsmotoren ab 2035 aufzuweichen. Statt eines vollständigen Verkaufsstopps sollen neue Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auch nach 2035 zugelassen bleiben – vorausgesetzt, sie tanken klimaneutrale Kraftstoffe. Zudem fordert der VDA eine Senkung des Reduktionsziels auf minus 90 Prozent, um technische Spielräume zu erhalten. Ziel sei es, Arbeitsplatzverluste zu vermeiden, technologische Führungspositionen zu sichern und die Mobilitätswende auf eine realistische Basis zu stellen (welt: 06.06.25).
Mobilitätswende ohne Infrastruktur bleibt Illusion
In dem „Zehn-Punkte-Plan für eine klimaneutrale Mobilität“ verweist der VDA auf massive strukturelle Defizite. Ohne flächendeckende Ladeinfrastruktur, stabile Stromnetze und wirksame steuerliche Anreize falle der Übergang zur Elektromobilität schwer. „So können auch nach 2035 noch eine begrenzte Zahl neue Verbrenner zugelassen werden“, betont VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Die EU vertraue blind auf den batterieelektrischen Antrieb – doch dieser allein reiche nicht aus. Die Mobilitätswende brauche pragmatische Lösungen statt ideologischer Zielvorgaben.
Standort Deutschland und Technologiekompetenz bedroht
Die deutsche Industrie warnt vor dem Verlust eines zentralen Wettbewerbsvorteils: dem Know-how im Bau effizienter Verbrennungsmotoren. Eine abrupte Abkehr gefährde hunderttausende Arbeitsplätze in Fertigung, Entwicklung und Zulieferung. Laut VDA drohen Investitionen in Milliardenhöhe zu verpuffen, wenn die Politik keine Übergangspfade ermöglicht. Während Europa den Verbrenner verbannen will, setzen die USA und China auf technologieoffene Strategien.

Hinzu kommt die schleppende Marktentwicklung. Die Nachfrage nach Elektroautos bleibt weit hinter dem zurück, was für die Klimaziele erforderlich wäre. In vielen Regionen Europas fehlen Ladesäulen, moderne Netzinfrastruktur und finanzielle Anreize. Ohne diese Basis gerät die Mobilitätswende ins Wanken.
Verbrenner bleiben global gefragt
Die aktuelle EU-Strategie blendet globale Märkte weitgehend aus. In Asien, Nordamerika und Südamerika bleiben Verbrennungsmotoren Teil der Antriebslandschaft. Der VDA verweist darauf, dass europäische Hersteller dort weiterhin Fahrzeuge mit klassischem Antrieb verkaufen. Ein technischer Rückzug aus diesem Bereich gefährdet somit nicht nur den Binnenmarkt, sondern auch wichtige Exportmärkte.
Der politische Widerstand wächst. Die Europäische Volkspartei im EU-Parlament plant, das Gesetz zum Verbrenner-Aus zu kippen oder deutlich zu entschärfen. Müller mahnt zur Kurskorrektur: „Das Verbrenner-Aus ist so nicht realisierbar, es braucht eine ehrliche Betrachtung der Realitäten und Rahmenbedingungen.“
Mobilitätswende braucht mehr Technologieoffenheit
Neben einem flexibleren CO₂-Ziel fordert der VDA, die für 2026 geplante Überprüfung der Regulierung um ein Jahr vorzuziehen. Damit ließen sich neue Entwicklungen, etwa bei synthetischen Kraftstoffen, frühzeitig integrieren. Diese könnten – kombiniert mit modernen Verbrennungsmotoren – das Klima entlasten, ohne Versorgungssicherheit und Arbeitsplätze zu gefährden.
Eine erfolgreiche Mobilitätswende erfordert Vielfalt statt Verbote. Der VDA plädiert für einen ausgewogenen Ansatz, der Innovation fördert, aber wirtschaftliche Realitäten nicht ausblendet. Nur mit technologieoffenen Lösungen lässt sich die Mobilitätswende langfristig stabil umsetzen.
Lesen Sie auch: