Vor knapp einem Jahr kündigte die Leipziger Verbundnetz Gas AG (VNG) ein ambitioniertes Milliardenprojekt an. In Wittenberg soll ein Großelektrolyseur entstehen, der jährlich rund 50.000 Tonnen grüner Wasserstoff produziert. Ziel ist die Versorgung des gesamten Chemieparks und der umliegenden Region bis nach Bitterfeld-Wolfen und Leuna. Das Vorhaben gilt als Leuchtturm der deutschen Energiewende, doch die Realität zeigt sich deutlich schwieriger als geplant.
Euphorie trifft auf Kostenprobleme in Wittenberg
Bei der Präsentation des Milliardenprojekts im Hörsaal der Wittenberger Leucorea herrschte große Aufbruchsstimmung. Ministerpräsident Reiner Haseloff sprach von einem Meilenstein für die Industrie. Christoph Franzke, Geschäftsführer der SKW-Stickstoffwerke, erklärte begeistert: „Jetzt beginnt eine neue Ära. Wir kommen weg vom Erdgas und setzen auf sauberen grünen Wasserstoff.“ Für sein Unternehmen im Chemiepark schien dies die ersehnte Lösung. Doch die hohen Kosten dämpfen die anfängliche Euphorie.

Der Preis für grünen Wasserstoff liegt beim Vierfachen des grauen Wasserstoffs auf Erdgasbasis. SKW-Sprecher Christopher Profitlich machte klar, dass eine wettbewerbsfähige Produktion damit kaum erreichbar sei. Einsparungen über CO₂-Zertifikate gleichen diese Differenz nicht aus. So entsteht ein Teufelskreis: hohe Preise blockieren den Absatzmarkt, und ohne Absatz bleibt das Milliardenprojekt gefährdet.
Skepsis im Chemiepark trotz Energiewende-Vision
Trotz der finanziellen Hürden gilt SKW als Schlüsselkunde für das Vorhaben in Wittenberg. VNG knüpft die Investition an langfristige Abnahmeverträge. Zwar laufen Gespräche, doch verbindliche Zusagen fehlen. Profitlich betont, dass grüner Wasserstoff die Zukunft darstellt, allerdings sei unklar, wann ein echter Markt entstehe. Ohne realistische Absatzchancen für klimaneutrale Produkte bleibt das Ziel der Energiewende im Chemiepark schwierig erreichbar.
Dennoch halten VNG und der niederländische Partner HyCC an den Plänen fest. Auf dem Gelände des ehemaligen Wasserwerks soll ein moderner Elektrolyseur entstehen. Damit könnte die Region nicht nur Wittenberg, sondern auch das gesamte Chemiedreieck mit klimafreundlicher Energie versorgen. Das Milliardenprojekt soll langfristig zum Herzstück der Energiewende werden.
Politische Rückendeckung und harter Markt
VNG-Chef Ulf Heitmüller sieht keinen Weg an grünem Wasserstoff vorbei. Er unterstrich in einem Interview: „Ich glaube an den Energiemix. Von daher sind wir fest überzeugt, dass Wasserstoff eine wichtige Rolle spielen wird und das in einer klimaneutralen Art und Weise.“ Aus Sicht des Unternehmens bietet das Milliardenprojekt ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld.
Parallel laufen intensive Gespräche mit möglichen Abnehmern sowie politische Abstimmungen. Zudem arbeitet VNG mit Bürgermeistern an Genehmigungen für Infrastrukturprojekte wie die geplante Stromtrasse von Wittenberg-Piesteritz bis nach Schmilkendorf. Der Chemiepark steht somit nicht nur im Zentrum eines industriellen Umbruchs, sondern auch einer politischen Debatte über die Machbarkeit der Energiewende.
Zeitplan ins Stocken geraten
Geplant war der Baustart ursprünglich für 2026. Nun spricht VNG von einem möglichen Beginn im Jahr 2027, sofern genügend Verträge vorliegen. Die Produktion in Wittenberg könnte frühestens 2030 starten. Doch viele Experten bezweifeln, dass dieser Termin realistisch ist. Marktpreise, politische Rahmenbedingungen und internationale Konkurrenz setzen enge Grenzen.
Damit bleibt der Ausgang offen. Die Vision eines grünen Energiestandorts im Chemiepark lebt, doch ohne Abnahmeverträge droht das Milliardenprojekt zu scheitern. Für die deutsche Energiewende wäre das ein herber Rückschlag.
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