Mit dem Einstieg in das LNG-Terminal in Brunsbüttel riskierte die Bundesregierung enorme Summen – trotz klarer Warnungen und mangelhafter Planung. Statt ein zukunftsfestes Energieprojekt zu sichern, verstrickte sich der Staat in ein Vorhaben, das von Anfang an instabil wirkte. Brunsbüttel steht heute sinnbildlich für energiepolitischen Leichtsinn mit hohem Preis (tagesschau: 24.06.25).
Brunsbüttel: Frühwarnungen ignoriert, Risiken verdrängt
Am 13. März 2023 verliert ein Mitarbeiter von German LNG in Kiel mehrere Kartons mit sensiblen Unterlagen. DVDs und wichtige Antragsseiten fliegen über den Asphalt. Die Szene zeigt: Sorgfalt spielte bei Brunsbüttel offenbar nur eine Nebenrolle. Dabei geht es hier um eines der zentralen Energieprojekte der Ampelregierung – und um Steuergeld in Milliardenhöhe.

Zwei von drei Investoren stiegen früh aus dem Projekt aus. Sie hielten das Terminal für wirtschaftlich nicht tragfähig. Die Bundesregierung sprang ein – mit 740 Millionen Euro über die Förderbank KfW. Dabei war längst bekannt, dass die erwartete Rendite bei 2,4 Prozent liegt. Laut Gesellschaftsvertrag bedeutet das: Kein Cent Rückfluss an den Bund, sämtliche Gewinne gehen an RWE und Gasunie.
Staatlicher Einstieg trotz fehlender Wirtschaftlichkeit
Bereits im November 2021 – Monate vor dem russischen Angriff auf die Ukraine – kontaktierte Gasunie das Wirtschaftsministerium. Kurz darauf startete eine ressortübergreifende Taskforce. Der spätere Verweis auf die Energiekrise diente eher der politischen Legitimation. Tatsächlich war Brunsbüttel kein spontan beschlossener Notfallplan, sondern ein langfristig vorbereiteter Einstieg in ein hochriskantes Projekt.
Nach geltender Bundeshaushaltsordnung darf der Staat nur dann Beteiligungen eingehen, wenn sie zwingend notwendig und alternativlos sind. Doch laut CDU-Haushaltsexperte Andreas Mattfeldt hätte es durchaus andere Optionen gegeben. Er fordert eine umfassende Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Auch Energieexpertin Claudia Kemfert sieht das Terminal kritisch. Sie spricht von überdimensionierten Anlagen, die weder gebraucht noch wirtschaftlich betrieben werden könnten.
Brunsbüttel droht zum Fass ohne Boden zu werden
Ein weiteres Problem: das Genehmigungsverfahren. Achtmal reichte German LNG überarbeitete Unterlagen ein – ohne Erfolg. Die Behörde in Schleswig-Holstein meldete über 1.300 Mängel und bezeichnete die Qualität der Anträge als „inakzeptabel“. Gleichzeitig deklarierte das Wirtschaftsministerium das Projekt intern als „baureif“. Realität und Bewertung klaffen dramatisch auseinander.
Im Sommer 2024 eskalieren die Probleme: Verzögerungen und Planmängel führen zu neuen Kosten. Alle Gesellschafter – auch der Staat – müssen erneut nachschießen. Die Gesamtsumme der staatlichen Investitionen liegt nun bei rund einer Milliarde Euro. Ein Ende der Finanzierungsspirale ist nicht in Sicht.
Politische Symbolik ersetzt wirtschaftliche Vernunft
Frank Laurich, Sprecher von German LNG, betont zwar den verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld. Doch gleichzeitig räumt er ein, dass sich der Genehmigungsprozess wie ein „Ping-Pong-Spiel“ anfühle. Auch Gasunie verweist auf die Komplexität der Verfahren. Doch mit jeder weiteren Verzögerung steigt die finanzielle Belastung – ohne klare Aussicht auf Rendite.
Brunsbüttel steht heute nicht für Versorgungssicherheit, sondern für die Fehlkalkulation politisch motivierter Großprojekte. Ein Terminal, das ursprünglich Versorgungslücken schließen sollte, droht zum milliardenschweren Mahnmal staatlicher Überdehnung zu werden.
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