Chinas Exportbeschränkungen für seltene Erden treffen die europäische Autoindustrie hart – insbesondere fehlen daraus hergestellte Magnete. Frank Eckard, Geschäftsführer des deutschen Magnetherstellers Magnosphere, meldet einen Ansturm verzweifelter Anfragen. Hersteller und Zulieferer suchen fieberhaft nach Alternativen. Ohne neue Bezugsquellen drohen ab Mitte Juli Produktionsstopps. „Die ganze Autoindustrie ist in Panik. Sie sind bereit, jeden Preis zu zahlen“, berichtet Eckard (reuters: 09.06.25).
Magnete als Achillesferse der Lieferkette
Die Angst vor einem weiteren Kollaps der Lieferketten wächst. Nach Pandemie und Halbleitermangel droht nun die nächste Krise. Magnete fehlen, doch sie sind essenziell für Motoren, Sensoren, Spiegel oder Lautsprecher. Zwar wurden viele Strategien zur Materialbeschaffung überarbeitet, doch die aktuelle Lage zeigt: Aus früheren Fehlern zog kaum jemand Konsequenzen.

Chinas Dominanz bleibt überwältigend. Bis zu 70 Prozent des weltweiten Abbaus, 85 Prozent der Raffinierung und 90 Prozent der Magnetproduktion liegen dort. Der Betrieb europäischer Werke hängt somit an Exportgenehmigungen chinesischer Behörden. Hunderte Anträge warten auf Entscheidung – ohne klare Perspektive für die Autoindustrie.
Erste Werke stehen still
Laut dem europäischen Zuliefererverband CLEPA mussten bereits mehrere Standorte schließen. Weitere Ausfälle gelten als unvermeidlich. CLEPA-Generalsekretär Benjamin Krieger warnt: Die Abhängigkeit betrifft jeden Hersteller. Moderne Fahrzeuge benötigen seltene Erden in zahlreichen Komponenten – unabhängig vom Antrieb.
China nutzte bereits 2010 diese Rohstoffe als Druckmittel gegen Japan. Der Anteil chinesischer Importe sank dort bis 2018 auf 58 Prozent. Mark Smith, Chef des US-Bergbauunternehmens NioCorp, erinnert: „China hat die Karte der seltenen Erden immer dann gespielt, wenn es politisch opportun war.“ Ein eigenes Projekt in Nebraska soll binnen drei Jahren starten.
Technologische Alternativen bleiben Zukunftsmusik
Zahlreiche Hersteller entwickeln inzwischen Motoren mit reduziertem oder ohne Einsatz von Magneten. General Motors, BMW, ZF und BorgWarner investieren in entsprechende Technologien. Doch industrielle Skalierung und Kostensenkung lassen auf sich warten. Joseph Palmieri vom Zulieferer Aptiv fordert, Alternativen außerhalb Chinas entschlossen voranzutreiben.
Die EU verfolgt mit dem Critical Raw Materials Act ein entsprechendes Ziel. Doch laut Noah Barkin von der US-Denkfabrik Rhodium Group fehlt Tempo und Durchsetzungskraft. In Europa gelingt es kaum, konkurrenzfähige Produkte herzustellen. David Bender vom Recyclingunternehmen Heraeus warnt: Seine Magnetproduktion laufe aktuell nur zu einem Prozent. Ohne Absatz droht das Aus.
Investoren wittern Chancen
Trotz aller Herausforderungen fließt Kapital in Innovation. Das US-Unternehmen Niron entwickelt seltenerdfreie Magnete und hat bereits über 250 Millionen Dollar eingeworben – unter anderem von GM und Stellantis. Die Produktion ist ab 2029 geplant. Auch Warwick Acoustics aus England bringt noch dieses Jahr rare-earth-freie Lautsprecher in ein Luxusmodell. Serienfertigung für den Massenmarkt bleibt aber in weiter Ferne.
Bis neue Lösungen greifen, sucht die Branche nach kurzfristigen Antworten. Hersteller prüfen akribisch, welche Zulieferer besonders betroffen sind. Mercedes-Benz etwa plant mit Partnern den Aufbau strategischer Lagerbestände – in der Hoffnung, Stillstände zu vermeiden.
Kritische Abhängigkeiten über Magnete hinaus
Die EU-Kommission berichtet, dass China auch bei weiteren 19 Rohstoffen – etwa Graphit, Aluminium oder Mangan – die globale Kontrolle besitzt. Diese könnten ebenfalls zur geopolitischen Waffe werden. Andy Leyland von SC Insights bringt es auf den Punkt: „Das ist nur ein Warnschuss.“ Die Abhängigkeit bei Magneten steht exemplarisch für die fragile Struktur globaler Lieferketten – und zwingt die Industrie zum Umdenken.
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