Immer mehr Netzbetreiber warnen: PV-Ausbau bringt Stromnetz an die Grenze

Andreas Feicht, Chef des Kölner Versorgers Rheinenergie und Ex-CDU-Staatssekretär, sieht in der unkontrollierten Ausbreitung der Solarenergie eine ernste Gefahr für die Stromversorgung. Der Boom bei Photovoltaik (PV) belaste das Netz erheblich. Vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf (WPV) äußerte er: „Die sehr starke Produktion von Photovoltaik bringt das System an den Rand der physikalischen Leistungsfähigkeit.“ Seiner Meinung nach müsse der Fokus stärker auf Windenergie, sowohl Offshore als auch an Land, gelegt werden (welt: 13.11.24).


Überkapazitäten und ihre Risiken

Mit aktuell rund 90 Gigawatt installierter PV-Leistung strebt die Bundesregierung an, dieses Ziel auf 215 Gigawatt bis 2030 zu steigern. Für Feicht sei dies jedoch überdimensioniert. Er betont, dass der enorme Zubau die Netzstabilität gefährde und das System mit „sehr starken Spitzen“ belaste. Regionale Ausfälle könnten die Folge sein, wenn das lokale Netz die erzeugten Strommengen nicht mehr aufnehmen könne. Laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) führt die konzentrierte Stromproduktion an sonnigen Tagen zu Engpässen in den Verteilnetzen. Das betrifft vor allem kleinere Solaranlagen auf Dächern und große PV-Felder, die gleichzeitig Strom einspeisen.

Chef des Kölner Versorgers Rheinenergie  warnt vor  weiterem PV-Ausbau - „Der ungesteuerte Zubau verursacht erhebliche Systemkosten“
Chef des Kölner Versorgers Rheinenergie warnt vor weiterem PV-Ausbau – „Der ungesteuerte Zubau verursacht erhebliche Systemkosten“

Zwar würden viele PV-Anlagen inzwischen mit Batteriespeichern ausgestattet, doch gebe es zu wenige Anreize, diese Speicher netzdienlich zu nutzen. Die Einspeisevergütung und Stromtarife berücksichtigen den Marktpreis nicht. Einheitliche Vergütungen verhindern eine effiziente Steuerung, so die Analyse des DIW.

Wirtschaftliche Zwänge und Förderung

Trotz der Probleme baut Rheinenergie weiterhin Solaranlagen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mache es wirtschaftlich attraktiv. Feicht erklärt: „Es ist betriebswirtschaftlich sinnvoll.“ Dennoch fordert er strengere Kriterien. Anforderungen in Bezug auf Netzdienlichkeit und Steuerbarkeit sollten steigen. Ein bloßer Zubau bringe wenig, entscheidend sei der Systembeitrag. Feicht kritisiert auch die hohen Kosten des Netzausbaus. „Der ungesteuerte Zubau verursacht erhebliche Systemkosten“, betont er.

Die Kosten für den Anschluss neuer Erzeugungsanlagen seien enorm. Photovoltaik trage dabei die Hauptschuld. Diese Problematik ließe sich nur mit einer besseren technologischen Mischung lösen, abgestimmt auf Jahreszeiten und Verfügbarkeiten. „Mehr Wind und weniger Sonne“ sei der sinnvollere Weg.

Herausforderungen bei Dunkelflauten

Der Manager verweist auf sogenannte Dunkelflauten, in denen Solar- und Windkraft nur geringe Strommengen liefern. In solchen Fällen greife Deutschland auf teure Importe zurück. Kürzlich habe der Strompreis an der Energiebörse EEX die Marke von 800 Euro pro Megawattstunde überschritten. Im Vergleich dazu liegt der langfristige Durchschnitt bei 40 Euro. Ohne diese Importe müsse auf Gaskraftwerke zurückgegriffen werden. Feicht verdeutlicht: „Die Energiewende bleibt abhängig von niedrigen Gaskosten.“ Neue Gaskraftwerke seien nötig, aber ohne gesicherte Einsatzzeiten für Investoren unrentabel.

Deutschland brauche einen verlässlichen Kapazitätsmarkt, um diese Investitionen zu fördern. Die Politik habe dies erkannt, aber noch keine entsprechenden Regelungen geschaffen. Feicht fürchtet, dass ohne regulatorische Maßnahmen der Kohleausstieg verzögert wird. Der Bedarf an regelbaren Kraftwerken bleibe auch bei einem hohen Anteil erneuerbarer Energien bestehen.


Klimaneutralität bis 2045 in Gefahr

Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 hält Feicht für schwer erreichbar. Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten stehe Deutschland vor besonderen Herausforderungen. „Wir haben mehr Industrie und zugleich keine Atomkraft“, führt er aus. Die Vorverlegung des Ziels auf 2045 habe Deutschland vor erhebliche Probleme gestellt. Die Zeit reiche kaum aus. „Wenn wir 2035 schauen, wo wir stehen, wird klar, wie schwer es wird, das 2045-er-Ziel zu erreichen.“

Seiner Ansicht nach müsse die Politik realistischere Ansätze verfolgen. Andernfalls drohten hohe Kosten und eine instabile Energieversorgung. Der Ausbau erneuerbarer Energien brauche eine strategische Steuerung, um die Klimaziele auf tragbare Weise umzusetzen.

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