Nach dem zweiten Stresstest zur Stromversorgung hat Wirtschaftsminister Habeck entschieden, die Kernkraftwerke Neckarwestheim 2 und Isar 2 bis April 2023 in die Reserve zu übernehmen. Das dritte Kernkraftwerk, Emsland, soll planmäßig zum Jahresende vom Netz gehen. Laut der vier großen Netzbetreiber, 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW, kommt der Stresstest zu dem Ergebnis, dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 22/23 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Deshalb lautet deren klare Empfehlung: Die Kraftwerkbetreiber sollen alle drei im sogenannte Streckbetrieb weiterlaufen und dabei ihre aktuellen Brennstäbe weiternutzen.
Habeck setzt sich über Expertenempfehlung hinweg
Wirtschaftsminister Habeck hat sich allerdings bei seiner Entscheidung über diese Empfehlung der Experten hinweg gesetzt und will nur die Kernkraftwerke, Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg, in eine „Einsatzreserve“ überführen. Dazu sollen die beiden Kraftwerke bis Mitte April 2023 zur Verfügung stehen. Danach sollen auch diese Kraftwerke abgeschaltet werden. Damit weicht Habeck deutlich von der Expertenempfehlung und der Kraftwerkbetreiber ab.
Kraftwerkbetreiber von Isar 2 bezeichnet Habecks Entscheidung als technisch nicht umsetzbar
Der Betreiber des Atomkraftwerks Isar 2, Preussen Elektra, kritisiert jetzt Habecks Alleingang scharf. In einem Brief an das Wirtschaftsministerium, schrieb der Preussen Elektra Chef, Guido Knott, dass die jetzige Entscheidung Habecks, zwei der drei laufenden Anlagen zum Jahreswechsel in die Kaltreserve zu schicken, um sie bei Bedarf hochzufahren, technisch gar nicht machbar sei. Der Vorschlag des Wirtschaftsministers sei deshalb völlig ungeeignet, um den Versorgung zu sichern (Spiegel: 07.09.22)
Habeck wurde bereits vor der Entscheidung über die technischen Probleme informiert
Weiterhin heißt es in diesem Brief, dass man Habeck bereits am 25. August, also deutlich vor seinem Vorschlag, über die damit verbundenen Risiken informiert hätte. Insbesondere auch darüber, dass ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht möglich ist. „Das Austesten einer noch nie praktizierten Anfahrprozedur sollte nicht mit einem kritischen Zustand der Stromversorgung zusammenfallen“, lautet das Statement des Kraftwerkbetreibers.
Habeck: Betreiber haben mein Konzept nicht verstanden
Habeck zeigte sich irritiert über das Schreiben. „Ich habe den Brief mit einiger Verwunderung zur Kenntnis genommen“, sagte er und vermutet, dass die Betreiber offenbar sein Konzept nicht verstanden hätten.
Regierung verfälscht Ergebnisse des Stresstests
Die Atomkraftexpertin Anna Veronika Wendland hingegen stützt die Aussagen der Betreiber und kommentiert die Situation so: „Die Regierung verfälscht die Ergebnisse des Stresstests. Immerhin wurde darin vom Streckbetrieb von allen drei Kernkraftwerken ausgegangen. Das ist etwas anderes als zwei Kraftwerke in Reserve zu haben, die gar keinen Strom produzieren“.
Greift Habeck in die politische Trickkiste?
Es bleibt die Frage, warum Habeck eine Entscheidung getroffen hat, die technisch nicht umsetzbar ist. Entweder hat er aus reiner Unkenntnis der Tatsachen und Unwillen, Fachleute einzubeziehen, einen eklatanten Fehler begangen. Oder er hat den Vorschlag bewusst gemacht, da er wusste, dass die Kraftwerkbetreiber ihn nur ablehnen können. Mit seinem Vorschlag zwingt er die Kernkraftwerke in die für sie ungünstigsten Konditionen, in denen sie tatsächlich kaum etwas zur Krisenbewältigung beitragen können. Damit könnte er später behaupten: „Seht, es ist, wie ich gesagt habe, die Kernenergie ist zu unflexibel, zu langsam und zu schwach, um einen Beitrag leisten zu können“ (Twitter: 08.09.22).
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