Katherina Reiche und das Wachstumsproblem – warum längere Arbeitszeiten nicht genügen

Katherina Reiche hat eine Debatte ausgelöst, die weit über klassische Konjunkturfragen hinausgeht. Erstmals erklärte sie offen, dass das Wohlstandsversprechen gegenüber der nächsten Generation nicht mehr gehalten werden könne. Diese Aussage wiegt schwer, weil sie einen historischen Wendepunkt markiert. Gleichzeitig fordert Katherina Reiche längere Arbeitszeiten, obwohl Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Energiepreise und Steuerentlastung derzeit ganz andere Signale senden. Genau hier liegt der Kern der Kritik, denn Wachstum entsteht nicht automatisch durch mehr Arbeit.


Katherina Reiche und die Grenzen des Arbeitszeit-Arguments

Katherina Reiche verbindet ihre Warnung vor dem schwindenden Wohlstand mit der Forderung, die Deutschen müssten insgesamt mehr arbeiten. Dieser Ansatz wirkt zunächst pragmatisch, greift jedoch zu kurz. Wirtschaftswachstum entsteht nicht durch zusätzliche Stunden, sondern durch produktive Nachfrage. Fehlen Aufträge, bleibt längere Arbeitszeit wirkungslos, während Wettbewerbsfähigkeit weiter leidet.

Katherina Reiche fordert längere Arbeitszeiten - doch hohe Energiepreise und Bürokratie bremsen Wachstum stärker als fehlende Arbeitsstunden
Katherina Reiche fordert längere Arbeitszeiten – doch hohe Energiepreise und Bürokratie bremsen Wachstum stärker als fehlende Arbeitsstunden
Photo by John MACDOUGALL / AFP

Die Erfahrung vergangener Konjunkturphasen zeigt, dass Unternehmen nur dann mehr Arbeit abrufen, wenn Absatzmärkte funktionieren. Ohne stabile Rahmenbedingungen führt ein Mehr an Arbeit nicht zu Wachstum, sondern erhöht den Druck auf Beschäftigte. Katherina Reiche verkennt damit, dass Arbeit kein Selbstzweck ist, sondern Ergebnis funktionierender Märkte.

Wirtschaftswachstum braucht Nachfrage, nicht Appelle

Nach Jahren der Stagnation fehlt es vielen Betrieben an Planungssicherheit. Der Export schwächelt, Investitionen bleiben aus, und die Wettbewerbsfähigkeit sinkt. Unter diesen Bedingungen kann Wirtschaftswachstum nicht allein durch längere Arbeitszeiten entstehen. Wachstum erfordert Nachfrage, denn nur verkaufte Produkte schaffen Wertschöpfung.

Die Fixierung auf Arbeitszeit verschiebt die Verantwortung auf Arbeitnehmer, obwohl strukturelle Probleme ungelöst bleiben. Katherina Reiche benennt zwar den Ernst der Lage, doch ihre Schlussfolgerungen verengen die Debatte. Ein nachhaltiger Aufschwung beginnt nicht am Schreibtisch, sondern bei den Kosten und der Produktivität der Unternehmen.

Energiepreise als zentrale Standortfrage

Ein entscheidender Faktor für Wettbewerbsfähigkeit sind die Energiepreise. In Deutschland liegen sie deutlich über dem internationalen Niveau. Das belastet Industrie und Mittelstand gleichermaßen. Hohe Kosten verhindern Investitionen und schwächen das Wirtschaftswachstum nachhaltig.

Längere Arbeitszeiten können diese Nachteile nicht kompensieren. Selbst hochqualifizierte Arbeitskräfte verlieren an Wirkung, wenn Produktionskosten außer Kontrolle geraten. Deshalb bleibt die Senkung der Energiepreise der wichtigste Hebel, um Unternehmen wieder konkurrenzfähig zu machen und Wachstum zu ermöglichen.

Entbürokratisierung und Genehmigungen als Wachstumsfaktor

Neben den Energiepreisen lähmt die Bürokratie die wirtschaftliche Dynamik. Lange Genehmigungsprozesse, komplexe Vorgaben und wachsende Dokumentationspflichten bremsen Investitionen. Entbürokratisierung würde unmittelbar Produktivität freisetzen und die Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Beschleunigte Verfahren schaffen Planungssicherheit und senken Kosten. Genau hier entsteht reales Wirtschaftswachstum, weil Unternehmen schneller investieren und Innovationen umsetzen können. Katherina Reiche setzt dagegen auf den Faktor Arbeit, obwohl die administrativen Bremsen deutlich schwerer wiegen.


Steuerentlastung stärkt Konsum und Wachstum

Ein weiterer zentraler Hebel ist die Steuerentlastung der Arbeitnehmer. Mehr Netto vom Brutto erhöht die Kaufkraft und stärkt die Binnenkonjunktur. Steigender Konsum führt zu mehr Aufträgen, was Investitionen und Beschäftigung fördert. Dieser Mechanismus wirkt direkt und nachhaltig.

Im Gegensatz dazu bleibt der Effekt längerer Arbeitszeiten unsicher. Ohne Nachfrage verpufft zusätzliche Arbeit. Steuerentlastung dagegen stärkt Vertrauen und stabilisiert das Wirtschaftswachstum von innen heraus.

Politischer Anspruch und wirtschaftliche Realität

Auch Jens Spahn erklärt Wirtschaftswachstum zur zentralen Messlatte politischer Entscheidungen. Dieser Anspruch ist richtig, verlangt jedoch eine umfassendere Strategie. Wettbewerbsfähigkeit, Energiepreise, Entbürokratisierung und Steuerentlastung entscheiden über Wachstum, nicht moralische Appelle an die Arbeitszeit.

Katherina Reiche hat mit ihrer Aussage zum bröckelnden Wohlstandsversprechen einen wichtigen Impuls gesetzt. Gerade deshalb braucht es jetzt Lösungen, die an den Ursachen ansetzen. Mehr Arbeit allein wird Deutschland nicht aus der Krise führen. Erst bessere Rahmenbedingungen machen Arbeit wieder zum Motor für Wachstum. (KOB)

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