Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni plant, 35 Jahre nach der Abschaltung des letzten Atomkraftwerks die Kernenergie wieder einzuführen. Dies soll die Kohlenstoffemissionen des Landes reduzieren. Umwelt- und Energiesicherheitsminister Gilberto Pichetto Fratin erklärte gegenüber der Financial Times, dass Rom Gesetze vorbereite, die Investitionen in kleine modulare Kernreaktoren ermöglichen. Diese könnten innerhalb von zehn Jahren betriebsbereit sein (ft: 14.07.24).
Atomenergie-Comeback: Italien plant 11 % des Stroms bis 2050 durch Kernkraft zu decken
Bis 2050 soll Atomenergie mindestens 11 Prozent des gesamten Stromverbrauchs ausmachen. Italien will damit seine Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen verringern. Der Minister betonte, dass eine kontinuierliche Versorgung mit sauberer Energie nur durch einen Anteil an Kernenergie garantiert sei.
Erneuerbare Technologien wie Solar- und Windkraft könnten die notwendige Sicherheit nicht gewährleisten. Diese Skepsis spiegelt die Haltung der Regierung wider.
In den 1960er und 1970er Jahren baute Italien vier Kernkraftwerke und plante eine Erweiterung. Doch nach der Katastrophe von Tschernobyl 1986 entschieden die Italiener in einem Referendum, die Subventionen für neue Reaktoren zu beenden.
Kehrtwende in der Energiepolitik: Italien will trotz Skepsis zurück zur Kernkraft
In den folgenden Jahren schloss Italien alle bestehenden Kernkraftwerke, das letzte 1990. Zwei Jahrzehnte später versuchte der damalige Premierminister Silvio Berlusconi, das Programm wiederzubeleben, scheiterte jedoch an einem Referendum 2011, in dem über 90 Prozent der Wähler den Plan ablehnten.
Eine kürzlich von Legambiente durchgeführte Umfrage zeigte, dass 75 Prozent der Befragten skeptisch gegenüber der Kernenergie als Lösung für Italiens Energieprobleme sind. 25 Prozent lehnten sie aus Sicherheitsgründen strikt ab, während 37 Prozent glaubten, dass sicherere Technologien hilfreich sein könnten.
Minister Pichetto Fratin ist jedoch zuversichtlich, dass die historische „Abneigung“ der Italiener gegenüber Kernkraft überwunden werden kann. Die neueste Technologie habe „unterschiedliche Sicherheitsniveaus und Vorteile für Familien und Unternehmen“.
Er betonte, dass vergangene Referenden kein Hindernis für die neuen Gesetzesinitiativen der Regierung Meloni darstellten. Italien verfüge über „hohe Kompetenz“ im Nuklearbereich, mit führenden Forschungseinrichtungen und Unternehmen, die in ausländischen Märkten aktiv sind.
Meloni-Regierung setzt auf Kernenergie: Solarenergie-Ausbau gestoppt wegen Sicherheitsbedenken
Der Vorstoß der Meloni-Regierung zur Kernenergie kommt zu einer Zeit, in der neue Beschränkungen für den Ausbau der Solarenergie verhängt wurden. Die Premierministerin warnte, dass die Verbreitung von Photovoltaikanlagen die Lebensmittelsicherheit Italiens bedrohe.
Minister Pichetto Fratin äußerte zudem Bedenken hinsichtlich der Abhängigkeit von Solarpaneelen, die hauptsächlich in China hergestellt werden. Dies könne ein politisches und kommerzielles Werkzeug eines stark kontrollierten Unternehmenssystems sein.
Viele Italiener beklagen auch, dass Photovoltaikanlagen die Aussicht auf die malerische Landschaft Italiens beeinträchtigen. Der Minister plädierte für „Vorsicht und Mäßigung“ bei der Genehmigung von Solaranlagen.
Im Gegensatz dazu seien kleine Kernkraftwerke effizienter, da die Erzeugung von 300 MW nur vier Hektar Land benötige, ein Bruchteil des Flächenbedarfs von Solarparks. „Italien hat besondere kartografische Merkmale und keine großen freien Flächen für Solarpaneele“, sagte er. „Wir können ein Land wie Italien mit seinen Hügeln und Bergen nicht mit Solaranlagen bedecken.“
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