Bis zum Jahr 2030 will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) in Deutschland sechs Millionen Wärmepumpen einbauen lassen. Diesen Plan bezeichnet nun eine Professorin für Bauwesen als „unbegreiflichen Irrsinn“. Hierfür gebe es viel zu wenige Fachkräfte, doch damit nicht genug: Wärmepumpen ergeben laut ihrer Expertise in vielen Gebäuden kaum Sinn. Die Fachfrau kritisiert, dass die Regierung mit dieser Offensive einen früheren Fehler wiederhole (focus, 19.09.2022).
Habecks Plan
Der Plan des Bundeswirtschaftsministers ist sehr ambitioniert: Ab 2024 will er jährlich mindestens eine halbe Million neue Wärmepumpen einbauen lassen, sodass im Jahr 2030 sechs Millionen davon hinzugekommen sind. Es ist zwar richtig, dass Wärmepumpen ein entscheidendes Instrument für die Wende zur klimafreundlicherern Heizung sind. Doch schon seit Juni 2022 kritisieren Experten Habecks Pläne und bezeichnen sie als nicht praktikabel.
Konkret hat sich nun die Bauphysikerin und Professorin an der Universität Siegen Lamia Messari-Becker geäußert. Gegenüber dem „Spiegel“ erklärte sie, dass es bei diesem Plan gleich an mehreren Stellschrauben hapere. Daher kann sie Habecks Wärmepumpenoffensive nur als „unbegreiflich“, „Wunschdenken“ und gar als „Irrsinn“ bezeichnen.
Folgen des Fachkräftemangels
Es fehlen im deutschen Heizungsbau derzeit mehrere Zehntausend Fachkräfte. Dieser Mangel führt jetzt schon zu Engpässen beim Einbau von Wärmepumpen. Sollte nun noch eine Offensive starten, würden sich die gegenwärtig schon zu langen Lieferzeiten sowie Produktion- und Installationsengpässe noch drastisch verschärfen. Diese Probleme sind im Bundeswirtschaftsministerium bekannt, es hat sie schon im Juni 2022 zugegeben. Seinerzeit begann der große Run auf Wärmepumpen, als absehbar wurde, dass die russische Gasversorgung mehr und mehr schwächelt und irgendwann ganz ausfallen könnte.
Etwa ab Juli 2022 kamen weder Hersteller noch Installateure der Nachfrage noch in angemessenen Fristen hinterher. Mitte September dauert nun der Einbau einer neuen Wärmepumpe ab Bestellung zwischen 12 und 18 Monate, während er noch Anfang des Jahres in einigen Tagen erledigt war. Prof. Lamia Messari-Becker weist auf die Folgen hin: Man werde die Geräte alsbald aus Asien importieren, was unweigerlich die nationale Produktion verdränge und damit viele Tausend Arbeitsplätze gefährde. Dieses Szenario gab es schon einmal im Solarbereich, den heute chinesische Hersteller dominieren, obwohl Deutschland in dieser Technologie einmal führend war. Es gibt durchaus umsichtige Politiker in der gegenwärtigen Ampelkoalition, die das Problem erkennen. So kam unter anderem aus der FDP deutliche Kritik an Habeck gleich nach dem Wärmepumpengipfel der Regierung.
Die FDP-Politikerin Sandra Weeser, die den Bauausschuss im Bundestag leitet, wies darauf hin, dass für die Zielsetzung des Wirtschaftsministers zunächst viele zusätzliche Stellen im Handwerk geschaffen werden müssten. Ansonsten blieben wohl nichts als gut gemeinte Hoffnungen von Habecks Plan. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sagte gegenüber der „Tagesschau“, dass für solche Pläne zunächst die Arbeitsbedingungen im Handwerk verbessert werden müssten. Habeck setzt indes auf Zuwanderer, die in diesem Bereich tätig werden sollen. Die Handwerksfirmen kritisieren an diesem Gedanken, dass der Minister wohl nicht verstanden habe, wie intensiv und langwierig (drei Jahre, mit Sprachkurs noch etwas länger) eine Ausbildung zum Heizungs- und Sanitärinstallateur erfolge.
Einzelne Technologien sind niemals Heilsbringer
Die Expertin Prof. Messari-Becker verweist überdies darauf, dass noch nie eine einzelne Technologie als alleinseligmachender Heilsbringer funktioniert habe. Dieser Glaube sei ihr unbegreiflich. Dabei sei er in der Vergangenheit schon widerlegt worden. So sei heute allgemein anerkannt, dass es ein großer Fehler war, sich überwiegend von russischem Gas als „Brückentechnologie“ abhängig und damit auch erpressbar gemacht zu haben. Auch dahinter habe die Hoffnung gestanden, eine einzige Technologie oder Strategie würde alle Probleme lösen. Dabei habe genau diese Haltung die gegenwärtigen Probleme verursacht.
Prof. Lamia Messari-Becker fordert nun statt eines „Wärmepumpengipfels“ einen „Wärmegipfel“. Dabei solle auch die Wärmepumpentechnologie einmal im Detail analysiert werden. In unsanierten Gebäuden nämlich lässt eine Wärmepumpe die Heizkosten explodieren, weil sie nur funktioniert, wenn das Gebäude so gut gedämmt ist, dass es eine deutliche energetische Differenz zwischen innen und außen gibt. Erst dann entfaltet die Wärmepumpe ihre Effizienz. Prof. Messari-Becker dazu: Der Wirtschaftsminister Habeck müsse seinen Irrglauben überwinden und sich fachlich ausreichend beraten lassen. Sein Plan habe zu viele Denkfehler.
Bestätigung von anderen Fachleuten
Fachleute bestätigen die Aussagen von Prof. Lamia Messari-Becker. Die Deutsche Energie-Agentur ließ eine Umfrage unter Energieberatern durchführen, von denen 70 % sagten, dass Wärmepumpen häufiger oder gar regelmäßig wegen einer bestimmten Gebäudekonzeption keinen Sinn machen. Klimaneutral seien sie auch nicht komplett. Im schlimmsten Fall aber überlasten sie bei massenhafter Zuschaltung das Stromnetz so sehr, dass in der gegenwärtigen Energiekrise sogar ein Blackout droht.