Die Energiekrise trifft die Industrie ins Mark – und Ineos steht im Zentrum dieser Entwicklung. Der britische Chemiekonzern gibt die Schließung zweier Werke in Rheinberg bekannt. Grund sind explodierende Energiepreise, steigende CO₂-Kosten, fehlender Zollschutz und politische Fehlanreize. 175 Arbeitsplätze gehen verloren – ein weiterer Rückschlag für die deutsche Chemieindustrie.
Energiepreise bringen Ineos unter Druck
Hohe Energiepreise machen die Produktion in Europa zunehmend unrentabel. In den USA und China profitieren Konkurrenten von günstiger Energie. Laut CEO Stephen Dosset zwingen diese Bedingungen Unternehmen wie Ineos in die Defensive. Überzogene Klimaziele, teure Emissionsabgaben und politische Inkonsequenz ließen die Wettbewerbsfähigkeit der Chemieindustrie schwinden. Besonders Rheinberg trifft es hart – dort schließen zwei hochmoderne Anlagen.

Eine davon produzierte den zentralen Bestandteil von Epoxidharzen, die in Luft- und Raumfahrt, Automobilbau und Windkraftanlagen verwendet werden. Die zweite Anlage stellte Chlor her, das für Medikamente und Trinkwasser unverzichtbar ist. Trotz hoher Effizienz überstiegen die CO₂-Kosten die Erträge deutlich.
Ineos spricht von „ökologischer Heuchelei“
CEO Stephen Dosset findet klare Worte: „Das ist ökologische Heuchelei.“ Während Europa energieeffiziente Werke stilllegt, steige weltweit die Emission, da die Produktion in Länder mit geringeren Umweltstandards abwandere. Ineos sieht darin ein politisches und wirtschaftliches Versagen, das den Standort Europa schwächt und Arbeitsplätze vernichtet.
Zudem gehe wertvolles Know-how verloren. Jede Stilllegung zerstöre technisches Wissen und Erfahrung. Die Chemieindustrie verliere damit nicht nur Menschen, sondern auch ihre Innovationskraft. Das könne langfristig ganze Industriezweige ins Wanken bringen.
Deutsche Chemieindustrie auf Talfahrt
Der Fall Ineos steht stellvertretend für eine ganze Branche. Nach Angaben des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) sank die Produktion der Chemieindustrie im zweiten Quartal 2025 um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Die Auslastung der Anlagen fiel auf 71,7 Prozent – den niedrigsten Wert seit 1991. Rentabel gilt eine Anlage erst ab etwa 82 Prozent Auslastung.
Diese Entwicklung zeigt, wie stark Energiepreise und CO₂-Kosten die Wettbewerbsfähigkeit zerstören. Immer mehr Unternehmen verlagern ihre Produktion ins Ausland, wo Energie günstiger und Regulierung weniger streng ist. Damit droht Deutschland, seine industrielle Basis zu verlieren – ein Szenario, das viele Experten als gefährlich einstufen.
Hoffnung für Rheinberg – mit Einschränkungen
Trotz der Werksschließungen bemüht sich Ineos, den PVC-Bereich in Rheinberg zu erhalten. Rund 300 Arbeitsplätze hängen davon ab. Der Chemiekonzern betont jedoch, dass staatliche Unterstützung erforderlich sei, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Ohne finanzielle Hilfen drohe auch diesem Teil des Standorts das Aus.
Das Beispiel Ineos macht deutlich, wie eng Energiepolitik, Wirtschaft und Klimaziele miteinander verbunden sind. Steigende Energiepreise, hohe CO₂-Kosten und politische Fehlentscheidungen gefährden nicht nur einzelne Unternehmen, sondern die gesamte Chemieindustrie. Die Worte des CEOs – „Das ist ökologische Heuchelei“ – fassen die Lage treffend zusammen. Europa verliert Industrie, während andere Regionen profitieren.
Lesen Sie auch:
- Deutsche Chemiekonzerne Evonik und Covestro warnen vor sinkenden Gewinnen aufgrund der Energiekrise
- Die Deindustrialisierung schreitet voran – Lanxess will zwei Werke in Deutschland schließen
- Chemiebranche am Abgrund – Verband fordert radikalen Reset
- Aufstand der Chemieindustrie – der Widerstand gegen den Emissionshandel wächst