Zur Beschleunigung des Ausbaus von Fernwärme-Netzen hat sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit Wirtschaftsverbänden, Gemeindevertretern sowie Umwelt- und Verbraucherschützern auf lockerere Klimaschutzvorgaben für die entsprechenden Systeme verständigt. Die Zielvorgabe, ab 2030 mindestens die Hälfte der Fernwärme jedes einzelnen Netzes mit erneuerbaren Energien oder durch Abwärme zu produzieren, soll nun insgesamt für alle Netze gelten, wie das Ministerium am Montag nach einem gemeinsamen Fernwärmegipfel mitteilte.
100.000 neue Wohnungen in Deutschland sollen an Fernwärme-Netz angeschlossen werden
Im Einzelfall sei dadurch eine „flexible Umsetzung in Abhängigkeit von der lokalen Situation und dem Alter der vorhandenen Anlagen möglich“, hieß es in der auf dem Gipfel beschlossenen gemeinsamen Erklärung. Darin haben die Beteiligten auch das Ziel vereinbart, künftig jedes Jahr 100.000 Wohnungen in Deutschland neu an das Fernwärme-Netz anzuschließen und damit zentral beheizen zu lassen (Morgenpost: 12.06.23).
Streit um Klimaschutz: Durchbruch beim Ausbau der Fernwärme-Netze erzielt
Über die Klimaschutzvorgaben für den Ausbau der Fernwärme-Netze war zuvor ein Streit entbrannt. Nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur (dena) ist die Fernwärmeerzeugung derzeit noch überwiegend durch fossile Energieträger geprägt. So lag der Anteil erneuerbarer Energien im Fernwärme-Netz 2021 bei 22 Prozent. Branchenverbände hatten ein verpflichtendes 50-Prozent-Ziel für jedes einzelne Netz zuvor als nicht umsetzbar zurückgewiesen. Beim Ziel, die Fernwärme-Netze bis 2045 gänzlich zu „dekarbonisieren“ bleibt es aber.
Bis zu diesem Zieljahr will die Bundesregierung den Anteil der Haushalte, die mit Fernwärme heizen, auf ein Drittel erhöhen. Derzeit ist Fernwärme in gut 14 Prozent der Haushalte verfügbar.
An dem von Habeck und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) gemeinsamen Gipfel beteiligten sich Verbände, wie den Bundesverband Fernwärmeleitung, der Deutsche Städtetag, der Deutschen Gewerkschaftsbund und die Deutsche Umwelthilfe. Laut der gemeinsamen Erklärung der Teilnehmer vereinbarten sie bei dem Treffen am Montag in Berlin unter anderem auch, dass möglichst schnell ein Plan vorliegen soll. Dieser soll aufzeigen, in welchen Gebieten der Ausbau der Wärmenetze innerhalb der nächsten zehn Jahre geplant ist.
Fernwärmeanschluss ermöglicht Ausnahme von Heizungsreform
Diese sogenannte Wärmeplanung ist vor dem Hintergrund der umstrittenen Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) von Bedeutung. Denn wer in den kommenden Jahren garantiert einen Fernwärmeanschluss bekommt, soll laut Gipfelerklärung „von der Pflicht zum Einbau einer die 65-Prozent-Vorgabe für erneuerbare Energien erfüllenden Heizung befreit werden“. Die beiden Themen sind demnach im Rahmen der Wärmewende eng miteinander verzahnt.
Der auch innerhalb der Regierungskoalition umstrittene Entwurf zum GEG sieht vor, dass neue Heizungen künftig zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Klassische Öl- und Gasheizungen können dies nur in Verbindung etwa mit einer Wärmepumpe oder einer Pelletheizung leisten. Ist jedoch ein Fernwärmeanschluss absehbar, soll das Ersetzen alter Öl- und Gaskessel bis zur Fertigstellung weiterhin möglich sein.
Geywitz wies nach dem Gipfel zudem die Forderung nach einer möglichen Pflicht zum Bezug von Fernwärme zurück, falls ein Anschluss an ein Fernwärme-Netz möglich ist. Es gebe aus ihrer Sicht keine Notwendigkeit, an dem bestehenden Zustand der Wahlfreiheit etwas zu ändern, sagte sie vor Journalisten. Die Stadtwerke hatten eine solche Pflicht gefordert, um die Wirtschaftlichkeit von Investitionen in Fernwärme-Netze zu sichern.
Aufruf zum Handeln: Verbraucherschützer und Experten fordern Schutz vor Wärmenetz-Monopolen
Verbraucherschützer forderten weitere Schritte zum Schutz von Immobilienbesitzern und Mietern. Angesichts der Monopolstellung von Wärmenetzanbietern bedürfe es der Regulierung und einer „vernünftigen Kontrolle“ von Preise, sagte die Chefin des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes, Ramona Pop. Auch die Investitionskosten müssten „fair verteilt“ werden und dürften nicht allein von Mietern getragen werden.
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßte die Gipfelerklärung als „notwendiges Signal des Aufbruchs“. Fernwärme sei ein wichtiger Baustein einer klimafreundlichen Wärmewende, Deutschland habe dabei „viel aufzuholen“.
AFP + Blackout-News