Immer mehr deutsche Firmen kämpfen mit einem spürbaren Auftragsmangel, der die gesamte Wirtschaft belastet. Laut einer aktuellen Umfrage des ifo Instituts berichten 41,5 Prozent der Unternehmen von unzureichendem Neugeschäft. Besonders dramatisch ist die Lage in der Industrie: Hier leidet fast jedes zweite Unternehmen unter der schwachen Nachfrage, was an die schwierigen Zeiten der Finanzkrise 2009 erinnert. „Der Mangel an Aufträgen hemmt weiterhin die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland“, erläutert ifo-Umfragenleiter Klaus Wohlrabe. Im Juli lag die Quote noch bei 39,4 Prozent, was zeigt, dass die Situation sich zunehmend verschärft (zeit: 11.11.24).
Industrie besonders betroffen
Die Krise erfasst die gesamte Industrie und trifft einige Kernbranchen besonders hart. Fast 48 Prozent der Industrieunternehmen melden fehlende Aufträge. Im Maschinenbau klagen sogar 55 Prozent der Unternehmen über die angespannte Lage, während in der Metallindustrie mehr als 68 Prozent von einem Auftragsmangel betroffen sind.
Auch die Auto- und Chemieindustrie bleibt von der Negativentwicklung nicht verschont. „Kaum eine Branche bleibt verschont“, beschreibt Wohlrabe die anhaltende Unsicherheit. Der leichte Anstieg der Auftragsbestände im September könnte ein Hoffnungsschimmer sein, doch der Weg zu einer nachhaltigen Erholung ist noch lang und voller Unsicherheiten. Besonders für den Maschinenbau und die Elektroindustrie bleibt der Blick in die Zukunft von Bedenken geprägt.
Transport- und Logistiksektor in der Krise
Die schlechte wirtschaftliche Lage der Industrie hinterlässt auch im Transport- und Logistiksektor tiefe Spuren. Transportfirmen klagen vermehrt über fehlende Aufträge, was den Druck auf die gesamte Branche erhöht. Besonders hart trifft es die Personalagenturen, wo etwa zwei Drittel der Dienstleister eine rückläufige Nachfrage nach Leiharbeitern verzeichnen. Der Stellenmarkt für temporäre Arbeitskräfte schrumpft zusehends, und viele Arbeitnehmer stehen vor einer ungewissen Zukunft. Zwar zeigt sich der Dienstleistungssektor insgesamt etwas robuster als die Industrie, doch auch hier ist die Situation mit 32,1 Prozent der Unternehmen, die über Auftragseinbrüche klagen, alles andere als rosig. „Leiharbeiter sind in der aktuellen Lage weniger gefragt“, so die Erklärung der Experten. Gleichzeitig verschlechterte sich die Situation im Dienstleistungsbereich zuletzt weiter, wenn auch moderater als in den produzierenden Sektoren.
Gastronomie und Veranstaltungsbranche stark betroffen
Besonders hart trifft es auch die Gastronomie und die Veranstaltungsbranche. Über ein Drittel der Gastronomiebetriebe verzeichnet rückläufige Gästezahlen, während die Veranstaltungsbranche noch stärkeren Einbußen ausgesetzt ist. Der Anteil der Betriebe, die über ausfallende Aufträge klagen, stieg von 38,5 Prozent im Juli auf inzwischen 48,5 Prozent. Vor allem kleinere Veranstalter kämpfen ums Überleben, da Großveranstaltungen mit prominenten Stars wie Adele und Taylor Swift im Sommer einen erheblichen Teil der verfügbaren Kaufkraft gebunden haben. Das schadet kleineren Events und verstärkt die Ungleichheit innerhalb der Branche. Die Sorgen wachsen, dass sich die Situation weiter verschlechtern könnte, wenn die Verbraucher ihr Ausgabeverhalten nicht anpassen.
Beratung und Prüfung gefragt
Inmitten dieser Krise gibt es jedoch auch Branchen, die von der allgemeinen Unsicherheit profitieren. Rechts- und Steuerberater sowie Wirtschaftsprüfer melden eine stabile bis positive Geschäftslage. Nur neun Prozent dieser Unternehmen klagen über zu wenig Aufträge. Der hohe Regulierungsaufwand und die wachsende Komplexität wirtschaftlicher und rechtlicher Anforderungen sorgen für eine anhaltend hohe Nachfrage nach Beratungsleistungen. Wirtschaftsprüfer erleben sogar eine besonders robuste Auftragslage, da die Unternehmen in unsicheren Zeiten vermehrt professionelle Unterstützung suchen. Der Boom in der Beratungsbranche steht in scharfem Kontrast zur Situation in anderen Sektoren und zeigt, dass Krisenzeiten nicht für alle Marktteilnehmer negative Auswirkungen haben.
Diese ungleiche Entwicklung innerhalb der Wirtschaft verdeutlicht die Herausforderungen, vor denen Deutschland aktuell steht. Während manche Branchen ums Überleben kämpfen, scheinen andere von der allgemeinen Unsicherheit zu profitieren. Doch selbst in den stabileren Sektoren bleibt die Lage angespannt, und die Unsicherheiten über die künftige wirtschaftliche Entwicklung nehmen weiter zu. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die leichte Erholung einzelner Auftragsbestände tatsächlich in eine nachhaltige Trendwende mündet oder ob sich die wirtschaftliche Lage noch weiter verschärft.
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