Im Februar 2025 wurde bekannt, dass ein US-Konsortium offensichtlich am Kauf der stillgelegten Gaspipeline Nord Stream 2 interessiert ist. Diese könnte nach einer erneuten Inbetriebnahme auch wieder russisches Gas nach Europa transportieren – möglicherweise nach einem Friedensschluss mit der Ukraine und der Aufhebung westlicher Sanktionen. Diese Perspektive ist seit den am 11. März 2025 im saudi-arabischen Dschidda angelaufenen Verhandlungen zwischen US-Vermittlern und ukrainischen Offiziellen nähergerückt. Nun äußern sich Fachleute zur technischen Seite eines erneuten Betriebs der Pipeline. Probleme wären offensichtlich nicht zu erwarten. (merkur, 06.03.2025)
Expertise zum Comeback der Pipeline: Nord Stream 2 kann in Betrieb gehen
Seit der Kauf der Pipeline im Raum steht, befassen sich Techniker mit der möglichen Inbetriebnahme. Ihr Urteil fällt eindeutig aus: Technisch wäre diese kein Problem, obgleich nach dem Auslaufen der Gaslieferungen durch Russland im Sommer 2022 ein Sabotageakt auf die Pipelines verübt worden war. Sie wurden dabei aber nicht alle auf die gleiche Weise beschädigt. Hauptsächlich war Nord Stream 1 betroffen, während die Schäden an Nord Stream 2 deutlich geringer ausfielen. Diese Leitung war noch nie mit Gas befüllt. Ihre Reparatur soll vergleichsweise leicht sein: Es müssten nur einige Segmente von 12 Metern Länge und einem Meter Durchmesser ausgetauscht werden. Michael Rodi ist Experte für Energiepolitik an der Universität Greifswald, er hat die Kosten dafür geschätzt. Sie könnten rund 500 Millionen Euro betragen. Die ursprünglichen Investitionskosten lagen bei fast zehn Milliarden Euro, sodass auch aus wirtschaftlicher Sicht eine Reparatur Sinn macht.

Bild: Jakub Porzycki / NurPhoto / NurPhoto via AFP
Der Netzbetreiber Gascade hat auf Nachfrage des Spiegel erklärt, dass beide Nord-Stream-Systeme in Lubmin nach wie vor an das deutsche Fernleitungsnetz physisch angeschlossen sind. Sie wurden hydraulisch abgetrennt, was sich schnell ändern lässt. Gascade hat den Anlandepunkt der Leitungen im vorpommerschen Lubmin errichtet und würde gern wieder Erdgas vermarkten, sobald die regulatorischen und vertraglichen Voraussetzungen erfüllt sind. (Spiegel, 05.03.2025)
Zögern der deutschen Politik
Was die Technik hergibt, muss noch längst nicht politisch gewollt sein. Die noch amtierende Bundesregierung aus SPD und Grünen (Stand: 11. März 2025) wies auch prompt die Berichte über die mögliche Wiederinbetriebnahme von Nord Stream 2 zurück und bezeichnete sie als „hochspekulativ“. Angefragt hatte das ZDF-Magazin Frontal beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWK). Dessen Sprecher erklärte, dass es derzeit mit Russland keinerlei Gespräche über etwaige leitungsgebundene Gaslieferungen gäbe. Auch sei Nord Stream 2 niemals zertifiziert worden und daher juristisch nicht zugelassen. Somit stelle sich auch nicht die Frage der Nutzung. Diese Antwort hinterlässt allerdings neue Fragen, denn Deutschland hat trotz aller Sanktionen gegen Russland niemals vollständig auf russisches Gas verzichtet. Es kommt inzwischen als teures LNG (Flüssiggas) via den Hafen in Rotterdam zu uns. Warum also nicht wieder viel günstigeres Gas über eine Pipeline beziehen, wenn sich diese relativ unproblematisch instand setzen lässt?
Druck vonseiten der ursprünglichen Investoren
Die derzeitige Diskussion um die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 hat zwei Gründe:
- Es gibt ein ernsthaftes Kaufinteresse an der Pipeline, die nach der Reparatur wie geplant ihren Dienst verrichten könnte und sollte.
- Die ursprünglichen Investoren möchten ihren milliardenschweren Aufwand nicht völlig abschreiben.
Letzteres vermutet der Leiter der Beratungsfirma Ganexo und Gasmarktexperte Joachim Endress. Beteiligt waren am Bau unter anderem die Energiekonzerne OMV, Shell, Engie, Uniper und Wintershall. Falls wieder Gas von Russland nach Europa strömt, wäre die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 die mit Abstand günstigste Option. Eine neue Unterwasserpipeline würde in etwa dieselben Kosten verschlingen wie der ursprüngliche Bau. Daher mache es Sinn, die bestehende Leitung zu verkaufen, sie reparieren zu lassen und irgendwann auch zu nutzen. Das muss nach Meinung der Fachleute nicht sofort geschehen. Pipelines dieser Art können auch 20 Jahre unbenutzt auf dem Grund des Meeres liegen, ohne weiteren Schaden zu nehmen.
Politisches Klima ist entscheidend
Vermutlich muss sich das politische Klima entscheidend ändern, bevor weiter über den Betrieb der Gaspipeline spekuliert werden darf. Erste Ansätze dazu könnte es durch die neuen Beziehungen zwischen den Regierungen der USA (unter Trump) und Russlands geben. Gerüchten zufolge könnte sogar die Trump-Administration das Kaufangebot für Nord Stream 2 initiiert haben. Das wäre eine deutliche Kehrtwende des amtierenden US-Präsidenten, denn in seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 hatte er sich ebenso wie sein Nachfolger Joe Biden vehement gegen das Nord-Stream-Projekt gestellt. Möglicherweise sucht er nach neuen Ansätzen, um mit Russland wieder normale Beziehungen aufzunehmen. Nord Stream 2 könnte ein Baustein dieser Bemühungen sein.
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