Die Gasvorräte in Europa gehen aktuell schneller zurück als in den letzten Jahren. Ursachen sind kälteres Wetter, erhöhte Nachfrage und ein Rückgang bei den Flüssigerdgasimporten (LNG). Experten betrachten die Entwicklung mit Besorgnis, da sie Auswirkungen auf die Energiepreise haben könnte (telepolis: 25.12.24).
Gasvorräte schwinden in Rekordtempo
Seit Ende September haben die EU-Speicheranlagen etwa 19 Prozent ihres Gasvolumens verloren. Zum Vergleich: In den letzten zwei Jahren gab es im gleichen Zeitraum lediglich einstellige Rückgänge.
Laut Natasha Fielding, einer Expertin für Gaspreisgestaltung bei Argus Media, hat sich die Situation verschärft, da Europa in diesem Winter stärker auf unterirdische Speicher angewiesen ist. Weniger LNG-Importe und eine größere Konkurrenz durch asiatische Märkte, die günstigeres Gas beziehen, verstärken den Druck.
Rückgang der Gasvorräte
Die Speicherfüllstände liegen derzeit bei 75 Prozent, etwas über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr waren die Anlagen jedoch noch zu 90 Prozent gefüllt. Die rapide Entleerung erinnert an Ende 2021, als Russland seine Pipeline-Gaslieferungen vor der Ukraine-Invasion reduzierte. Ein niedriges Speicherlevel könnte das Auffüllen im nächsten Jahr verteuern, da Händler bereits mit höheren Preisen für die Sommermonate rechnen.
Die EU verfolgt das Ziel, die Speicher bis Anfang November zu 90 Prozent zu füllen. Einige Länder haben jedoch niedrigere Anforderungen, was die Gesamtlage zusätzlich herausfordert. Steigende Sommerpreise könnten die Umsetzung dieser Ziele erschweren.
Politische Spannungen und Energieversorgung
Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen beeinflussen politische Spannungen die Gasversorgung. Katar drohte kürzlich mit einem Lieferstopp, falls neue EU-Gesetze Unternehmen sanktionieren, die bestimmte Umwelt- und Menschenrechtskriterien nicht erfüllen. Gleichzeitig übte der designierte US-Präsident Donald Trump Druck auf die EU aus, mehr amerikanisches Gas abzunehmen, andernfalls drohe sie mit Zöllen.
Die zunehmende Politisierung der LNG-Lieferungen verstärkt die Unsicherheit auf dem europäischen Energiemarkt. Dies könnte langfristig zu weiteren Preisschwankungen führen.
Weitere Faktoren: Kälte und Dunkelflaute
Zusätzlich belastet das kalte Wetter in Europa die Gasvorräte. Eine sogenannte Dunkelflaute, bei der weder Wind noch Sonne ausreichend Energie liefern, führt zu einer höheren Nachfrage nach Gas zur Stromerzeugung. In neun nordwesteuropäischen Ländern ist die Nachfrage nach Industriegasen im Vergleich zu 2023 um 6 Prozent gestiegen, so Anne-Sophie Corbeau vom Center on Global Energy Policy.
Einige Länder verzeichnen besonders große Verluste: Die Niederlande haben seit Winterbeginn 33 Prozent ihrer Gasvorräte verbraucht, Frankreich 28 Prozent. Zudem droht ein weiterer Rückgang, da das russische Gas über die Ukraine Ende nächsten Jahres ausfallen könnte. Diese Route macht aktuell noch etwa 5 Prozent der EU-Importe aus. Laut Andreas Guth von Eurogas wäre der Ausfall zwar beherrschbar, doch jedes zusätzliche Volumen zählt, insbesondere während der Auffüllsaison.
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