Mit einem neuen Weltrekord rückt die Vision der Kernfusion als Energiequelle näher. Am 22. Mai 2025 erzielte der Forschungsreaktor Wendelstein 7-X in Greifswald eine neue Bestmarke beim sogenannten Tripelprodukt – einem zentralen Maß für die Effizienz von Fusionsreaktoren. Über eine Plasmadauer von 43 Sekunden gelang eine Rekordleistung, die selbst große Tokamak-Anlagen in den Schatten stellt. Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik wertet das Ergebnis als bedeutenden Schritt in Richtung industrieller Fusionsnutzung (heise: 03.06.25).
Tripelprodukt entscheidend für Energiebilanz
Das Tripelprodukt ergibt sich aus drei Faktoren: der Teilchendichte des Plasmas, der Temperatur der Ionen und der Energieeinschlusszeit. Diese Kenngröße bestimmt, ob ein Plasma mehr Energie erzeugt, als es verbraucht. Erst bei Erreichen eines kritischen Schwellenwerts kann sich die Fusionsreaktion selbst tragen. Der neue Rekord beweist, dass Wendelstein 7-X diesem Ziel einen großen Schritt näherkommt.

Bild: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Tino Schulz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
In dem Experiment heizten starke Mikrowellen das Plasma auf über 20 Millionen Grad Celsius – in Spitzen sogar auf 30 Millionen. Parallel wurden rund 90 gefrorene Wasserstoff-Pellets in den Reaktor geschossen. Entscheidend war die präzise Abstimmung zwischen Heizleistung und Brennstoffzufuhr. Nur wenn diese Faktoren optimal harmonieren, lässt sich das Tripelprodukt maximieren.
Innovativer Pellet-Injektor aus den USA
Erstmals setzte das Team einen neuen Pellet-Injektor ein, entwickelt am Oak Ridge National Laboratory in Tennessee. Dieses System feuert millimetergroße Wasserstoffkügelchen mit exakt gesteuerten Pulsraten in das Plasma. Die neue Technik ermöglichte eine fein justierte Brennstoffversorgung über die gesamte Dauer des Experiments.
Diese Methode lässt sich künftig auf deutlich längere Plasmazeiten ausdehnen – ein Schlüsselfaktor für den Dauerbetrieb künftiger Fusionskraftwerke. Der Rekordversuch demonstrierte nicht nur die technische Präzision, sondern auch die internationale Zusammenarbeit, die für den Fortschritt in der Fusionsforschung essenziell bleibt.
Stellarator schlägt Tokamak bei langen Plasmadauern
Anders als der Tokamak, der nur in kurzen Pulsen betrieben werden kann, erlaubt der komplex aufgebaute Stellarator einen stabilen Dauerbetrieb. Während Tokamak-Anlagen wie JET oder JT60U bei kurzen Plasmadauern höhere Spitzenwerte erreichten, führt Wendelstein 7-X nun bei längeren Entladungen. Damit zeigt sich: Die Herausforderung liegt nicht nur im Erreichen extremer Temperaturen, sondern vor allem in deren langfristiger Aufrechterhaltung.
„Die absolut höchsten Werte für das Tripelprodukt erreichten der japanische Tokamak JT60U (stillgelegt 2008) und die europäische Tokamak-Anlage JET in Großbritannien (stillgelegt 2023). Bei den – für ein künftiges Kraftwerk wichtigen – längeren Plasmadauern liegt Wendelstein 7-X jetzt vorn, obwohl JET über ein dreimal so großes Plasmavolumen verfügte. Größe erleichtert bei Fusionsanlagen ganz erheblich das Erreichen hoher Temperaturen“, teilte das IPP mit.
Meilenstein für den kraftwerkstauglichen Stellarator
Thomas Klinger, Leiter von Wendelstein 7-X, würdigte die Leistung des Forschungsteams mit den Worten: „Dass wir bei langen Plasmadauerzeiten das Tripelprodukt auf Tokamak-Niveau anheben konnten, markiert einen weiteren wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum kraftwerkstauglichen Stellarator.“ Die Ergebnisse unterstreichen das Potenzial dieser Reaktortechnologie für die Zukunft der Energieversorgung.
Mit dem aktuellen Rekord erhält der Stellarator neue Aufmerksamkeit in der Debatte um alternative Fusionskonzepte. Der technologische Fortschritt in Greifswald macht deutlich, dass der Weg zur nutzbaren Fusionsenergie nicht nur über den Tokamak führen muss. Wendelstein 7-X liefert einen Beweis für die Machbarkeit eines dauerhaften Plasmabetriebs – ein zentraler Baustein für die Energiewende der nächsten Generation.
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