Die Eisenbahnnetze in der EU stehen vor gewaltigen Herausforderungen. In den Bereichen Modernisierung und Elektrifizierung besteht ein erheblicher Nachholbedarf. Insbesondere bei der Umstellung auf umweltfreundliche Energiequellen sind große Investitionen notwendig. Die EU zielt darauf ab, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, doch fehlen konkrete Pläne und Zeitrahmen für die Umsetzung dieses sogenannten Modal Shifts. Technisch und finanziell sind vielfältige Maßnahmen erforderlich, um diese grüne Wende zu erreichen (standard: 23.07.24).
EU-Bahnnetze: Elektrifizierung hinkt hinterher – Milliardeninvestitionen dringend nötig
Ein entscheidender Schritt ist die Elektrifizierung der Eisenbahnnetze, denn viele EU-Staaten, insbesondere im Osten, haben bisher nur einen Teil ihres Streckennetzes elektrifiziert. Laut einem Bericht der Europäischen Eisenbahnagentur (ERA) sind nur 56 Prozent des EU-Schienennetzes elektrifiziert.
ERA-Chef Josef Doppelbauer betont jedoch, dass der Modal Shift wichtiger sei als die reine Elektrifizierungsquote. „Wir müssen von den 76 Prozent des Straßenverkehrs wegkommen,“ erklärt Doppelbauer. Ein koordiniertes Vorgehen zur vollständigen Elektrifizierung fehlt bislang, obwohl einige Länder bedeutende Projekte planen. Dänemark und Österreich haben beispielsweise Millionenbeträge reserviert, um Hunderte Kilometer Schienen zu elektrifizieren.
Fragmentierte Bahnnetze: Warum die Digitalisierung der EU-Schieneninfrastruktur stockt
Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist die Digitalisierung der Bahnnetze. Ohne interoperable Verkehrsleitsysteme bleibt der Binnenmarkt in der EU fragmentiert. Das Europäische Zugsteuerungs- und Signalsystem (ETCS) ist in Deutschland bereits weit verbreitet, doch auch hier gibt es Verzögerungen. ETCS und das digitale Zugfunksystem GSM-R sind zentral für das Verkehrsmanagement und die Sicherheit. Diese Systeme ermöglichen eine effizientere Nutzung der Schieneninfrastruktur, was die Kapazitäten erhöht und die Sicherheit verbessert. Dennoch bleibt der Markt stark zersplittert, und die Einführung von ETCS erfolgt nur schleppend.
Herausforderung Energiewende: EU-Bahnen stehen vor Milliardeninvestitionen
Die Energiewende im Bahnsektor ist eine weitere Herausforderung. Der Anteil erneuerbarer Energien ist im Vergleich zum Automobilsektor bereits höher, jedoch sind weitere Anstrengungen notwendig, um den steigenden Bedarf zu decken. Für die Umstellung auf Elektroloks und alternative Antriebe wie Brennstoffzellen, Wasserstoff oder Batterien fehlen jedoch verlässliche Kostenschätzungen. Die Einführung von ERTMS (European Rail Traffic Management System) erfordert ebenfalls erhebliche Investitionen. EU-Förderungen sind eine wichtige Finanzierungsquelle, doch reichen diese Mittel nicht aus, um den gesamten Bedarf zu decken.
ERTMS bis 2050: Europas Eisenbahnnetze vor digitalem Umbruch – Sicherheit und Kapazität im Fokus
Bis 2030 soll das europäische Kernnetz mit ERTMS ausgestattet sein, bis 2040 das erweiterte Netz, und bis 2050 das gesamte Schienennetz. Diese Digitalisierung ist unerlässlich, um die Kapazitätsprobleme zu bewältigen und die Sicherheit zu erhöhen. Die Anzahl der Eisenbahnunfälle ist zuletzt wieder gestiegen, was die Notwendigkeit einer flächendeckenden Einführung dieser Systeme unterstreicht.
ERA-Chef Doppelbauer warnt, dass ohne rasches Handeln die angestrebte Verdoppelung des Bahnfrachtverkehrs und die Verdreifachung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs bis 2050 nicht realisierbar seien. Einheitliche Sicherheitsstandards, wie sie durch ERTMS gewährleistet werden, sind hierbei entscheidend. Die Umsetzung dieser Pläne erfordert nicht nur technische Anpassungen, sondern auch politische und finanzielle Anstrengungen auf EU-Ebene.
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