Die EU-Richtlinie zu CO₂-Grenzwerten sieht vor, dass ab 2035 keine neuen Pkw und Lieferwagen mit Verbrennungsmotor in der Europäischen Union mehr zugelassen werden dürfen. Wenn diese Richtline unverändert bleibt, könnte das weitreichende Folgen haben: Möglicherweise droht ein Bumerang für den Klimaschutz.
Keine Kompromisse beim Verbrenner
In der zweiten Juniwoche 2022 haben sich die Europaparlamentarier auf einer Plenumstagung mit dem Fit-for-55-Paket zu Umweltzielen beschäftigt. Das Vorhaben soll die klimaschädlichen CO₂-Emissionen bis zum Jahr 2030 drastisch senken. Darin enthalten ist auch eine Richtlinie, die von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde und die der Umweltausschuss bereits gebilligt hat. Sie betrifft neue CO₂-Grenzwerte für Pkw und Lieferwagen.
Eine kurze Passage in dieser Richtlinie erzwingt das Aus für den Verbrenner in der EU ab 2035. Es wurde nämlich ein Flottenzielwert für die Hersteller von 100 % Senkung der CO₂-Emissionen in den Fahrzeugklassen Pkw und leichte Nutzfahrzeuge formuliert. Dies entspricht einem Verbot der Neuzulassung von Verbrennungsmotoren ab 2035. Davon wären auch Motoren für synthetische Kraftstoffe betroffen, die etwa Porsche für seinen 911er einsetzen will.
Es gelten für den Flottenzielwert die CO₂-Emissionen des Fahrzeugs im Betrieb. Zwar werden synthetische Kraftstoffe mit Kohlenstoff hergestellt, der vorher aus der Luft per Abscheidung gewonnen wurde, sodass die Umweltbilanz im Grunde neutral ist. Doch das zählt für die EU-Kommission nicht.
Was bedeutet das für Neuwagenkäufer ab 2035?
Die Automobilindustrie hat es längst geahnt und plant schon länger dementsprechend, bei der allgemeinen Bevölkerung kommt nun ebenfalls diese Erkenntnis an: Ab 2035 gibt es in Europa (und wahrscheinlich in vielen anderen Teilen der Welt) keine neuen Verbrenner mehr zu kaufen. Der Gebrauchtwagenmarkt mit Verbrennern dürfte jedoch noch eine Weile weiterlaufen. Allerdings ist zu erwarten, dass ihnen das Leben schwer gemacht wird.
Wahrscheinlich gibt es dann immer mehr Umweltzonen mit rigiden Vorschriften, sodass ältere Verbrenner alsbald nirgendwo mehr fahren dürfen. Die Spritpreise könnten steigen, weil der Massenmarkt schwindet. Schon vor 2035 werden sich daher wahrscheinlich viele Menschen keinen Verbrenner mehr kaufen, weil sie ihn ab 2035 als Gebrauchten nur noch schwer und nur mit erheblichen Abschlägen loswerden.
Es ist unumstößlich: Schon in nächster Zukunft fahren die meisten Autos elektrisch. Dabei könnten elektrische Akkus auf Lithium-Ionen-Basis und mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen die beiden favorisierten Batteriekonzepte sein.
Ist das Vorhaben so umweltfreundlich, wie es scheint?
Nein, das ist es nicht. Wirklich umweltfreundlich in Bezug auf die Emissionen beim Fahren sind Elektroautos nur, wenn sie mit grünem Strom betankt werden. Auch der Wasserstoff für die Brennstoffzellen müsste damit gewonnen werden, hier ist der Strombedarf besonders hoch.
Wie umweltfreundlich heute ein E-Auto fährt, hängt von den Emissionen bei der Stromerzeugung ab. Wenn der Strom aus einem fossilen Kraftwerk kommt, entsteht wiederum schädliches Klimagas. Diese Systematik berücksichtigt aber die neue EU-Vorschrift nicht, ebensowenig die Umweltschäden bei Abbau der Rohstoffe für Akkus. Die EU-Vorschriften gelten immer nur für den CO₂-Ausstoß auf der Straße. Das kritisieren sogar innovative Autobauer wie BMW, die schon eher den Komplettumstieg auf Elektromobilität planten. Es gibt allerdings Gründe für die derzeit geltende EU-Umweltrechnung.
Erstmals wurden die Flottenemissionen im Jahr 2009 verbindlich geregelt. Damals gab es so wenige Elektroautos, das man an einen schnellen Durchbruch dieser Antriebsart nicht glauben mochte. Der Fokus richtete sich also in den Jahren 2010 bis etwa 2018 vorrangig darauf, den Verbrauch von Verbrennern zu senken, was auch gelang. Dies lässt sich auch an den Flottengrenzwerten ablesen: 2015 galten noch 130 g CO₂/km, seit 2020 sind es nur noch 95 g CO₂/km.
Allerdings holte die Elektromobilität in den letzten Jahren derartig auf, dass man in der Industrie schon länger auf das Ziel der Nullemissionen im Verkehr hinsteuerte. Auch wuchsen in den letzten Jahren die Sorgen um das Klima sehr stark. Daher ist der EU-Beschluss der Verbrennerverbots ab 2035 gar nicht so ambitioniert, wie es scheint. Nun muss die Energiewirtschaft nachziehen und möglichst schnell auf erneuerbare Energien umstellen.