Bei der Verabschiedung des Koalitionsvertrags war man sich noch einig: Klimaschutz ist die zentrale Aufgabe der Regierung und soll durch alle Ministerien vorangetrieben werden. Doch kaum ist die Ampel an der Regierung, treten dabei bereits die ersten Konflikte auf.
Umweltministerin will strengere Grenzwerte als im Koalitionsvertrag vereinbart
Die Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) wollte in der Koalition einen strengeren CO₂-Grenzwert für Neuwagen in der EU-Kommission fordern. Kanzler Olaf Scholz (SPD) entschied aber dagegen. Damit bleibt es beim bisherigen Brüsseler Konzept. Dieses sieht vor, den CO₂-Ausstoßes von neu zugelassenen Pkw und Lieferwagen bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Lemke wollte eine Reduktion um 75 Prozent durchsetzen.
Der Welt sagte die Grüne Politikerin: „Tatsächlich hätte ich mir noch höhere CO vor und für 2030 gewünscht“. Lemkes Wunsch nach strengeren Grenzwerten geht allerdings über die Abmachungen im Koalitionsvertrag hinaus. Dort haben die Parteien vereinbart: „In den Verhandlungen über das EU-Programm ‚Fit for 55‘ unterstützen wir die Vorschläge der EU-Kommission“.
Im Koalitionsvertrag haben die Parteien die Festlegung getroffen, dass Klimaschutz eine Querschnittsaufgabe ist, bei der alle Sektoren einen Beitrag leisten müssen. Dies führt nun dazu, dass die Minister der Grünen nun Druck auf Ressortchefs der anderen Ampel-Parteien ausüben.
Streit bei der Verwendung von E-Fuels
So attackiert Lemke den eigentlich zuständigen Verkehrsminister Wissing (FDP) nicht nur bei den CO₂-Grenzwerten, sondern auch bei der geplanten Verwendung von E-Fuels. Lemke konnte dabei durchsetzen, dass der Einsatz von E-Fuels nicht auf den Flottenverbrauch bei Verbrennungsmotoren angerechnet werden kann, wie vom Verkehrsminister zeitweise vorgesehen war. Laut Lemke sei schon seit langem klar, dass im Straßenverkehr die Elektromobilität die effizienteste und kostengünstigste Alternative sei. Den Einsatz von E-Fuels will sie nur im Schiffs- und Flugverkehr zulassen.
Umweltministerium mischt sich auch bei Planung der Verkehrswege ein
Aber auch beim Ausbau der Verkehrswege mischt sich Lemke in das Ressort Wissings ein. „Ich hoffe, dass es gelingt, Straßenprojekte mit gravierenden Folgen für den Natur- und Klimaschutz umzugestalten oder ganz davon Abstand zu nehmen“, sagt sie in einem Interview mit dem BUND-Magazin. Lemke will ganz offensichtlich bereits bestehende Planungen des Verkehrsministeriums aus umweltpolitischen Gesichtspunkten neu bewerten.
Aber auch zwischen Lemke, dem von Geywitz (SPD) geführten Bauministerium und dem von Christian Lindner (FDP) geführten Finanzministerium beginnt es zu knistern.
Auch beim Wohnungsbau knistert es zwischen den Parteien
Bei der Umsetzung des Koalitionsziels, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, fehlt es an Geld. Die vom Finanzminister vorgesehene Summe dafür reicht offensichtlich nicht annähernd aus, das Ziel zu erreichen. Dazu will Lemke auch beim Bau von Wohnungen mit mischen. Ein Sprecher ihres Ministeriums sagt dazu: „Wir müssen bei der Umsetzung selbstverständlich darauf achten, dass dadurch nicht andere wichtige Ziele wie Naturschutz oder die Reduzierung des Flächenverbrauchs konterkariert werden“.
Dazu fordern die Grünen, dass bei Neubauten mindestens der. KfW-40-Standard verbindlich eingehalten werden soll. Für diesen Standard hat aber der Wirtschaftsminister Habeck die staatliche Förderung gestrichen. Das Ziel billige Sozialwohnung zu bauen wird man so vermutlich nicht erreichen.