Eine neue Studie deutet darauf hin, dass der Klimawandel die Windenergie in Europa erheblich beeinträchtigen könnte. Laut den Ergebnissen könnten die Windgeschwindigkeiten in den kommenden Jahrzehnten spürbar abnehmen (telepolis: 19.02.25).
Klimawandel schwächt den Wind
Windkraft gilt als zentrale Säule der Energiewende. Doch genau diese saubere Energiequelle könnte durch den Klimawandel geschwächt werden. Eine Studie von Gan Zhang, Klimaforscher an der University of Illinois Urbana-Champaign, zeigt, dass die Erwärmung der Landmassen in Kombination mit der Veränderung der Troposphäre die Windgeschwindigkeit drosseln könnte.
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Besonders betroffen wären die nördlichen Mittelbreiten, also auch Europa. Das Phänomen, bekannt als „Wind Stilling“, entsteht durch eine ungleiche Erwärmung von Land und Luft. Dadurch könnten die Windgeschwindigkeiten im Sommer um bis zu 15 Prozent sinken. In Europa und Nordamerika wird mit einem Rückgang von bis zu fünf Prozent gerechnet.
Auswirkungen auf die Windenergie
Kleine Änderungen der Windgeschwindigkeit haben gravierende Folgen für die Energiegewinnung. Der Grund liegt in der Physik: Die Leistung von Windkraftanlagen hängt von der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit ab. Ein leichter Rückgang der Windstärke führt daher zu erheblichen Einbußen in der Stromerzeugung.
Laut Studie könnte sich die Situation in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts weiter verschärfen. Zwischen 2071 und 2100 sei ein Leistungsrückgang von bis zu 25 Prozent möglich. Wenn natürliche Klimaschwankungen mit einbezogen werden, könnte der Rückgang sogar 40 Prozent erreichen.
Gan Zhang betont: „Das Energiesystem ist ein Grenzmarkt. Eine Änderung der Marge um fünf bis zehn Prozent kann enorme Preisreaktionen auslösen.“ Für Betreiber von Windkraftanlagen bedeutet dies ein erhebliches finanzielles Risiko.
Herausforderungen für Klimaziele und Versorgungssicherheit
Viele europäische Staaten setzen stark auf Windkraft, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und Kernenergie zu meistern. Doch niedrigere Windgeschwindigkeiten könnten diese Strategie ins Wanken bringen.
Die Kombination aus weniger Windstrom und steigenden Temperaturen stellt eine doppelte Herausforderung dar. Während heiße Sommermonate den Energiebedarf für Kühlungen steigen lassen, könnte gleichzeitig weniger Windstrom erzeugt werden. Laut Studie drohen Stromnetze im Sommer an ihre Grenzen zu stoßen, wodurch die Versorgungssicherheit gefährdet wird.
Erste Hinweise auf eine langfristige Entwicklung
Ob sich der Rückgang der Windgeschwindigkeiten bereits bemerkbar macht, bleibt umstritten. Die Studie verweist auf Daten aus den Jahren 1980 bis 2010, die eine deutliche Abschwächung zeigen. Allerdings gibt es Hinweise, dass sich dieser Trend nach 2010 stellenweise umkehrte.
Ivan Føre Svegaarden von TradeWpower, einem Unternehmen für Wetter- und Klimaberatung, spricht von „ersten Anzeichen für einen klimatologisch bedingten Abschwung“ in der europäischen Windenergieproduktion. „Die vorherrschenden Hochdruckgebiete treten häufiger auf, entstehen schneller und halten länger an.“
Solide historische Winddaten sind rar, doch Zhang und sein Team haben mit verschiedenen Datensätzen und Simulationen gearbeitet. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich das Phänomen der sommerlichen Windstille in den kommenden Jahrzehnten weiter verstärken wird.
Neue Strategien für die Energiewende
Trotz der Herausforderungen bleibt Zhang optimistisch. Seiner Einschätzung nach könne Windkraft weiterhin ein wichtiger Bestandteil des Energiemixes bleiben, wenn geeignete Maßnahmen ergriffen werden.
Experten betonen, dass Europa kreativer werden muss, um die Auswirkungen der Windstille abzufedern. Eine Möglichkeit wäre eine breitere geografische Verteilung der Windkraftanlagen. Zusätzlich könnte der Ausbau von Stromverbindungsleitungen helfen, regionale Schwankungen auszugleichen. Auch Reserve-Stromquellen müssen vermehrt zur Verfügung stehen, um Versorgungslücken zu vermeiden.
Die Zukunft der Windkraft in Europa hängt davon ab, wie flexibel und innovativ das Energiesystem auf die neuen Herausforderungen reagiert.
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